Regie: Pedro Almodovar
Film und Wirklichkeit...
Der Künstler steckt in einer großen Schaffenskrise und zieht eine Art
Zwischenbilanz seines Lebens und seiner Berufung. Im Film gibt es
einige Beispiele dafür. Der große Federico Fellini fällt mit seinem
genialen "Achteinhalb" sofort ein. Er hatte vor diesem Meisterwerk
starke Probleme, die Krise lähmte ihn beruflich. Er hatte zwar alle
Themen seines Films schon beisammen und sich alles ausgedacht, doch es
fehlte ihm eine Handlung, ein roter Faden, um seinen Ideen und Gedanken
eine Struktur zu verleihen. Irgendwann kam ihm der Einfall seine eigene
Krise zum Thema des Films zu machen. Marcello Mastroianni spielte somit
das Alter Ego des Regisseurs, er kämpft in "Achteinhalb" mit denselben
Problemen wie Fellini in der Realität. Pedro Almodovar ist ebenfalls ein großer Filmregisseur, dessen
gesamtes Werk auch immer wieder stark autobiographische Züge aufweist.
Sein "Leid und Herrlichkeit" ist sehr stark mit Fellinis Film verbunden,
die Herangehensweise ist jedoch grundverschieden. Während Fellini sein
Werk als ein "Mittelding zwischen einer unzusammenhängenden
psychoanalytischen Sitzung und einer etwas planlosen Gewissensforschung"
bezeichnete und auch für den Zuschauer etwas verwirrend durch ständigen
Übergang von Traum, Gedanke und Realität war, ist Almodovars "Leid und
Herrlichkeit" für den Zuschauer wesentlich greifbarer. Wie der Name
schon sagt ist das Auf und Ab des Lebens gemeint - plakativ gesagt "Gute
Zeiten, schlechte Zeiten". Aber genau diese beiden Gefühlsstimmungen
hat Almodovar in seinem Film meisterhaft miteinander verbunden. In den
Kinos lief der Film sehr erfolgreich und spielte weltweit 38, 1
Millionen Dollar ein. Trotz seiner vielen starken bisherigen Filme wie
"Frauen am Rande eines Nervenzusammenbruchs", "Gesetz der Begierde",
"Alles über meine Mutter", "Sprich mit ihr" oder "Volver" ist ihm
tatsächlich sein größtes Meisterwerk gelungen. Salvador Mallo (Antonio Banderas) ist ein Filmregisseur, der sich zur
Zeit eher mit seinen vielen Gebrechen auseinandersetzt als einen neuen
Film zu realisieren. Er meidet eher die Öffentlichkeit und lebt derzeit
von seinen Erinnerungen - an seine Kindheit im einfachen Dorf Paterna,
an seine schöne Mutter (Penelope Cruz), an den Vater (Raul Alevaro) und
an seinen ersten Schwarm, den Arbeiter Eduardo (Cesar Vincente). Dem
bringt er als kleiner Junge das Schreiben und Rechnen bei, als
Gegenleistung verschönert der Arbeiter das Haus der Familie Mallo. Einer
seiner frühen Filme - Sabor - wurde restauriert und an dieses Projekt
hat der Regisseur eher negative Erinnerungen. Denn er hat sich mit
seinem Hauptdarsteller Alberto Crespo (Asier Etxeandia) damals
zerstritten, weil dieser die Rolle nicht so spielen konnte wie es Mallo
vorschwebte. Seine alte Freundin Zulema (Cecilia Roth) hat jedoch die
Idee, dass er sich doch wieder mit Alberto versöhnen könnte, gerade
jetzt wo der remasterde Film einem ausgewählten Publikum vorgestellt
werden soll. Tatsächlich trifft er sich nach vielen Jahren mit Alberto
wieder, doch diese Treffen sind nie harmonisch sie enden manchmal im
Streit. Aberto, der immer mal wieder Heroin nahm, führte Salvador in das
Heroinrauchen ein. Was den Zustand des Filmemachers noch zusätzlich
erschwert - zusammen mit seinen vielen Tabletten, die er gegen Schmerzen
nimmt, ein total gesundheitliches Risiko. Im Laufe der Handlung werden
weitere Erinnerungen wach. An seine zweite große Liebe in den 80er
Jahren mit Federico Delgado (Leonardo Sbaraglia) und an die letzte Zeit
mit seiner verstorbenen Mutter (die ältere Jacinda wird von Julieta
Serrano gespielt - unvergessen als durchgeknallte Lucia in "Frauen am
Rande eines Nervenzusammenbruchs), deren Tod er nie ganz verkraftet
hat...
Im Vergleich zu den meisten anderen Almodovar Filmen ist "Leid und Herrlichkeit" ein leiser und sehr intimer Film, der sich bis zum Schluß steigert. In der letzten Szene schlafen Mutter und Sohn (Avier Flores spielt den kleinen Salvador) auf dem Bahnhof. Eine Erinnerung, die dann plötzlich zur Filmszene im Film wird. Der Regisseur freut sich wie auch sein Tontechniker über diese gelungene Szene in seinem neuen Film. Somit wird angedeutet, dass der Regisseur seine Schaffenskrise überwinden wird. Der größte Triumph des Films ist jedoch seine poetische Machart und sein Bekenntnis zum Kino. Große Emotionen und Obsessionen werden aufgerollt und es entsteht so etwas wie das Puzzle eines Lebens, mit dem man sich gut identifizieren kann. "Leid und Herrlichkeit" wurde mit Preisen geradezu überhäuft - es gab zwei Mal den europäischen Filmpreis (Banderas als Hauptdarsteller und Antxon Gomez für die Ausstattung), 7 Goyas, 2 Golden Globe Nominierungen und zwei Oscarnominierungen (Bester Auslandsfilm und Antonio Banderas als Darsteller).
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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