Regie: John Schlesinger
Ein amerikanischer Traum...
Ein Film wie John Schlesingers "Asphalt Cowboy" könnte heute nicht
mehr gedreht werden. Die Kinoproduzenten sind heute fast ausschliesslich
am Profit und Einspiel interessiert. So sah es selbst dessen Producer
Jerome Hellman und man muss ihm uneingeschränkt beipflichten. Der Film
über zwei Aussenseiter wurde aber damals 1969 sowohl vom Publikum als
auch von den Kritikern begeistert aufgenommen. Es galt auch als echte
Sensation, dass das düstere Großstadtportrait bei der Oscarverleihung
1970 den Hauptoscar als bester Film gewann und damit gegen "Zwei
Banditen" und "Königin für 1000 Tage" triumphieren konnte. Es schien
aber auch die Zeit für solche Stoffe gekommen zu sein, denn auch eine
anderer filmischer amerikanischer Alptraum von Sydney Pollack "Nur
Pferden gibt man den Gnadenschuß" erreichte im gleichen Jahr die
stattliche Anzahl von 9 Nominierungen. Die Zuschauer wollten plötzlich
solche Stoffe und das Kino von opulenten Heileweltfiilmen wie "Hello
Dolly" war vorbei. Noch ein Jahr zuvor mussten sich Meisterwerke des
neuen Kinos wie "2001 Odyssee im Weltraum" dem farbenprächtigen Musical
"Oliver" von Carol Reed geschlagen geben. "Midnight Cowboy" entstand in
einer Zeit als das neue Hollywood geboren wurde und auch schon der
innovative 70er Jahre Film vor der Tür stand. Wegbereiter waren auch
Werke wie "Easy Rider" oder "Bonnie und Clyde".
Der Film
erzählt vom amerikanischen Traum des Tellerwäschers Joe Buck (Jon
Voight), der in einer Kleinstadt in Texas lebt. Dort wuchs er auch auf
und in seinen Erinnerungen kommen die Bilder seiner Kindheit und Jugend
auf: Der starke Bezug zur Großmutter, der Traum vom Cowboy, die erste
Freundin, das fest verankerte Rodeoreiten. Nun hat er die Nase voll vom
wenig lukrativen Job und versucht sein Glück in der Großstadt. Zu den
Klängen einer perfekten Filmmusik ("Everybody´s talking about me" von
Nilsson) verlässt er das Kaff, wo ältere Frauen in Lockenwicklern auf
der Bank in der Straße sitzen und im Greyhound Bus gehts in die
Freiheit. Der attraktive Joe hat dort vor als Gigolo für ältere Damen
gute Kohle zu machen. Diese vielen Frauen warten doch nur auf einen
solchen "Mietrammler" aus Texas. Doch die Realität sieht anders aus. Auf
der Suche nach diesen gelangweilten New Yorker Ladies verlieht der
Sonnyboy sein ganzes Geld. Mit seiner provinziellen Naivität ist er
ausgebufften Großstadtleuten wie der älteren Cass (Sylvia Miles), der
gelangweilten Shirley (Brenda Vaccaro) schwulen Studenten (Bob Balaban)
oder schmierigen Kleinstadtganoven wie Rizzo (Dustin Hoffman), der ihm
die letzten Kröten abluchst, heillos unterlegen. Doch er findet in der
Metropole diesen verkrüppelten Betrüger wieder, denn die Subkultur ist
irgendwie ein großes Dorf. Die beiden Verlierertypen freunden sich
irgendwie an und Joe kommt bei dem Ganoven unter. Dieser haust in einem
leerstehenden Abrissblock, wo er in einer dieser dort befindlichen
extrem schäbigen Wohnungen haust. Alles ist hier verdreckt, es gibt
weder Heizung noch Elektrizität. Die Nächte sind kalt und Rizzo hustet
und scheint nicht gesund zu sein...
Die tragikomischen
Erlebnisse des Neuankömmlings, der sich als "Stricher" durchschlägt sind
von traurigen, aufwühlenden Rückblenden durchtränkt, so wird auch kurz
eine Rückblende gezeigt, die einen Angriff mehrerer Männer auf Joe und
dessen Jugendfreundin Annie zeigt. Abgebrannt und einsam läuft Joe mit
seinem schwindsüchtigen neuen Freund dem Abgrund entgegen. New York
erweist sich als Trugschluß. Als Illusion wird der Traum vom besseren
Florida aufrechterhalten. Dort könnte es besser werden. Schlesinger hat
einige Szenen entworfen, die sich nicht mehr aus dem Gedächtnis brennen
lassen. So sieht man Joe bei der Ankunft in New York mitten auf der
belebten Straße, wo auf dem Gehweg ein lebloser Mann liegt. Die vielen
Passanten nehmen keine Notiz von dem Mann, der Hilfe bräuchte, falls es
noch nicht zu spät ist. Doch er bleibt ohne Beachtung und nur Joe nimmt
irritierend Notiz, ist aber selbst auch nicht in der Lage zu helfen.
Oder
auch die Szene im Greyhound-Bus mit Impressionen vom amerikanischen
Traum, der suggeriert wird, wenn man durchs Fenster guckt. Auf dem Sitz
aber ein Mann, der dort stirbt. Schlesinger zeigt perfekt die
verzweifelte Isolation seiner Figuren. Schlesinger selbst sagte in einem
Interview 2002 "Ich konnte noch Filme drehen, als das Kino es noch
wagte, von Menschen und ihren Beziehungen zu erzählen" - das großartige
Meisterwerk des amerikanischen Films zeigte unverblümt Themen wie
Homosexualität oder Prostitution. Dieser Wahnsinnsfilm gehört für mich
neben "Tag der Heuschrecke" und "Marathon Mann" zu den ganz großen
Filmen des 2003 verstorbenen britischen Regisseurs.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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