Regie: Alfred Hitchcock
Gräber, Geister, Juwelen, böse Neffen und Blondinen...
Blanche Tyler verdient sich ihre Brötchen als hellsichtige Madame
Blanche. Ihr Klientel besteht vor allem aus leichtgläubligen alten
Frauen. Am Anfang von Hitchcocks letztes Film "Familiengrab" hält sie in
der Anfangsszene eine Seance mit einer diser exzentrischen alten Damen
ab. Die Umgebung ist wie geschaffen für eine selbst ernannte Spirtistin
wie Blanche, der Salon der alten Frau ist voll von Antiqutäten und
Erbstücken...aber auch von tiefen Schatten einer versteckten
Vergangenheit.
Von ihrem etwas schwerfälligen Boyfriend
George Lumley (Bruce Dern) hat sie brauchbare Informationen, die sie bei
der Geisterbeschwörung gewinnbringend einsetzen kann: Die betagte und
schwerreiche Julia Rainbird (Cathleen Nesbitt) hat für ungefähr 40
Jahren dafür gesorgt, dass ihre verstorbene Schwestger ihr uneheliches
Kind zur Adoption freigeben musste. Damals wäre eine ledige Mutter - vor
allem in den gehobenen Kreisen - eine schwerwiegende Schande gewesen.
Als Mrs. Rainbirds Schwester starb verlor sich aber auch jede Spur des
Kindes. Jetzt nach all den Jahren will sie mit ihrem Vermögen das
Unrecht wieder gut machen - das vermisste Kind, nunmehr 40 Jahre alt,
soll ihre Millionen erben. Doch die alte Frau braucht jemanden, der den
fehlenden Neffen finden soll. Detektiv oder Polizei...zu auffällig,
alles soll diskret und verschwiegen sein. Also ein Fall für Madame
Blanche, die für diesen Job 10.000 Dollar als Prämie erhalten soll.
Eigentlich
eine Routinegeschichte - aber nicht bei Altmeister Hitchcock, der somit
ein eher unbeholfenes Duo auf die Suche schickt und vor allem Blanche
unerschütterlich naiv an den schnellen Erfolg denken lässt. Schnell mal
einen Mann suchen, finden, abgeben und kassieren. Doch so einfach ist es
nicht: Der unbekannte Mann hat keinen Namen, keinen Wohnort und die
wenigen Zeugen, die Auskunft geben könnten, liegen unter der Erde.
George, der Taxifahrer und Möchtegernschauspieler, ist daher eher
skeptisch bis pessimistisch, doch er liebt Blanche und wird weiterhin
die Detektivarbeit mit ihr verrichten.
Als
die beiden mit Georges Taxi nach Hause fahren, wird der Plan
geschmiedet und vor lauter Reden fahren die beiden beinahe eine blonde
Frau (Karen Blaick) um, die den Zebrastreifen überquert. Die Kamera
folgt dieser Frau. Sie ist die Entführerin von reichen, einflussreichen
Männern - als Lösegeld für deren Freigabe verlangt sie wertvolle
Brillanten. Doch auch sie arbeitet im Duett - der Juwelier Arthur
Adamson (Willem Devane) ist ihr Partner. Währenddessen startet George
seine Detektivarbeit, die er erstaunlich gut absolviert. Denn sehr
schnell hat er auch schon Kontakt zum Tankstellenbesitzer Joseph Maloney
(Ed Lauter), den eine sehr dunkle Verbindung mit dem verschollenen
Neffen von Mrs. Rainbird verbindet...
Alfred
Hitchcocks Alterswerk ist eine extrem elegante und lässige
Thrillerkomödie, die in seiner Filmographie leider ein bisschen
untergeht. Zu Unrecht - denn hier in diesem doppelbödigen Filmvergnügen
orientierte er sich sichtlich an seinen 50er Jahre Erfolg "Immer Ärger
mit Harry", der mit prachtvollen Bildern des indian Summer auch eine
Leiche auf Wald und Wiese präsentiert. Der Unterschied seiner beiden
Komödien liegt aber darin, dass "Familiengrab" von der Struktur her ein
echter Suspence Thriller ist - allerdings mit dem Spass komische
Protagonisten darin einzusetzen und mit "Plots" aufzuwarten, die
aberwitzig und obskur bleiben. Aber gut: Ein Meister wie Hitch darf sich
auch entscheiden von Zeit zu Zeit auf Erklärungen und Logik zu
verzichten. Warum auf solche schönen unglaubwürdigen Situationen
verzichten, wenn man sie doch einfach präsentieren und zeigen kann ?
Nebenbei
bietet auch "Familiengrab" unvergessliche Filmszenen vom Feinsten. Etwa
dann, wenn George zum ersten Mal den Friedhof aufsucht, wo der Gesuchte
"Edward Shoebridge" neben seinen Eltern begraben sein soll und Musik
einsetzt als sich ihm von hinten ein geheimnisvoller Totengräber nähert.
Auf dem gleichen Friedhof gibts noch ne tolle Einstellung bei einer
Beerdigung, als sich die Wege von George und der Witwe des Toten
kreuzen. Die Kamera filmt das Laufen der Beiden auf den Graswegen von
oben. Es wirkt wie ein Labyrinth. Genial auch die Entführungsszene in
der Kirche. Der gute alte Bischof Wood (William Prince) wird während des
voll besetzten Gottesdienst aus der Kirche von unserem Diamantengeilen
Duo entführt. Und alle bleiben auf der Kirchenbank sitzen - in einem
Gottesdienst schickt sich es auch nicht sonderbare Menschen mit dem
Bischof unter dem Arm zu verfolgen.
"Familiengrab"
funktioniert auch deshalb, weil die vier Hauptdarsteller alle prächtig
funktionieren. Nebn der liebenswürdigen und naiven Blanche, perfekt
gespielt von Barbara Harris, ist es aber vor allem Karen Black, die dem
Film ihren Stempel aufdrückt. Als typische Hitchcock Blondine getarnt
setzt die Brünette mit ihrer Optik Akzente. Sie braucht dazu nur die
blonde Perücke, den schwarzen Mantel, den schwarzen Hut und die dunkle
Brille. Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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