Regie: Alfred Vohrer
Zwei Reporter auf gefährlicher Spur...
Alfred Vohrer ist ein deutscher Regisseur, den es noch zu entdecken
gilt. Durch Horst Wendland, den Produktionschef der Rialto Film gelang
ihm mit den Edgar Wallace Streifen der Durchbruch, sein "Die toten Augen
von London" ist mit Sicherheit auch einer der besten deutschen Filme
der 60er Jahre. Selbst Quentin Tarantino schätzt seine Arbeiten und hat
ihn sogar schon einmal als eine Art deutschen Alfred Hitchcock
bezeichnet. In den 70er Jahren hatte Vohrer erneut mit einer Filmserie
großen Erfolg. Es lag damals im Trend die Romane von Johannes Mario
Simmel zu verfilmen und so realsierte Vohrer für die Münchner Roxy Film
unter Luggi Waldleitner 1971 "Und Jimmy ging zum Regenbogen", der ein
riesiger Erfolg an der Kasse wurde und die Goldene Leinwand für mehr als
3 Millionen Kinozuschauer erhielt. Es folgte "Liebe ist nur ein Wort",
"Der Stoff, aus dem die Träume sind", "Alle Menschen werden Brüder" und
"Gott schützt die Liebenden". Das Drehbuch zu "Der Stoff, aus dem die
Träume sind", der nur knapp die verlangte 3 Millionen Zuschauer Hürde
für eine Goldene Kamera verfehlte schrieb Manfred Purzer. Zahlreiche
gute Schauspieler wie Hannelore Elsner, Arno Assmann, Paul Edwin Roth,
Klaus Schwarzkopf, Malte Thorsten, Charles Regnier, Rainer Basedow,
Arthur Brauss verpflichtet werden. Die Hauptrolle bekam der
Nachwuchsstar Paul Neuhaus. Die stärksten Darbietungen gehen aber auf
das Konto von Herbert Fleischmann, der den humpelden Fotografen Bernie
Engelhard, Kompagnon von Journalist Walter Roland, der von Neuhaus
gespielt wird und von Edith Heerdegen als schizophrene Pflegerin Luise
Gottschalk, die in einem Flüchtlingslager arbeitet und von den Geistern
der Vergangenheit, der Gegenwart und sogar der Zukunft besucht wird.
Allein die Szene, als sie den toten kleinen Karle auf ihren Armen
wegträgt, ist von einer erhabenen Größe gekennzeichnet. Als
Musikuntermalung komponierte Peter Thomas einen zeitgemäßen Sound der
70er Jahre.
Zur Handlung: Journalist Walter Roland und
sein Fotograf Bertie recherchieren derzeit auf der Suche nach einer
brisanten Story, die den Ausgangspunkt bei zwei jungen Überläufern aus
der CSSR hat. Dabei wollte sein Chefredakteur Herford (Arno Assmann)
eher eine Story über den "Mann total" - wir sind in einer Zeit kurz nach
den 68ern. Der Prager Frühling der kurz zuvor blutig zerschlagen wurde
und die sexuelle Befreiung durch eine freie Sexualität. Dies sind Themen
für die "Blitz", die Zeitung, bei der Walter Roland seine Brötchen
verdient. Als einer der beiden Flüchtlinge erschossen wird, versuchen
Waler und Bertie, etwas über die Hintergründe der Tat herauszufinden.
Sehr schnell ist es offensichtlich, dass der Tod des kleinen Karle
irgendwie auch im Zusammenhang mit der jungen Irina (Hannelore Elsner)
steht, die sich ebenfalls in diesem Flüchtlingsjager aufhält. Sie floh
in den Westen, um ihrem Geliebten Jan Bilka (Rick Parse) zu folgen, von
dem sie ein Kind erwartet. Er soll sich in Hamburg aufhalten, doch das
Telefongespräch wird von ihm selbst unterbrochen. Warum ? Roland und
Engelhardt bleiben dran und fahren gemeinsam mit der jungen Frau nach
Hamburg. Dort werden ihre Ermittlungen immer rigoroser behindert. Es
gibt sogar Zeugen, die plötzlich tot sind. Kein Wunder: Bilka hat
Kentniss von den mitteleuropäischen Aufmarschplänen des Warschauer
Paktes und zwei dazugehörige Mikrofilme. Die Journalisten geraten dabei
immer mehr zwischen die Fronten von KGB, CIA und dem deutschen
Verfassungsschutz....
Alfred Vohrer setzte auch hier auf seiner
langjährigen Crew mit Assistentin Eva Ebner, Drehbuchautor Manfred
Purzer und Kameramann Charly Steinberger. Dabei erwies sich vor allem
Edith Heerdegen als hellseherische Luise als Herzstück des Films. Ihre
Szenen geben der Geschichte eine sehr seltsame Note, sie bildet
sozusagen ein etwas irrealer, aber in der Tiefe nicht zu unteschätzender
Gegenpart zu dem modernen Abenteuer zweier Journalisten, die an eine
sehr brisante und vor allem lebensgefährliche Geschichte andockten.
Auch
Arno Assmanns Performance als berechnender und Bibelverse zitierender
Verlagsleiter Herford bietet eine kleine Galavorstellung. Diese
Kleinigkeiten sind es, die den Film in einigen Phasen veredeln können
und die Story offeriert interessante Querverbindungen einer
Liebesgeschichte zur internationalen Spionage, zur deutschen
Vergangenheit, zu einer schweren psychiatrischen Erkrankungen und zur
zeitgenössischen Presse, die hier in den 70ern genauso voyeuristisch
auftritt wie Heute.
Vohrer inszenierte mit der nötigen Ruhe,
die die vielschichtige Geschichte auch braucht. Dabei bleibt es aber die
gesamte Laufzeit von 142 Minunten interessant und spannend.Sämtliche Ebenen werden durch die Regie eindringlich beleuchtet, die Rückblenden sind packend erzählt und äußerst glaubhaft gefilmt, die Ensembleleistung ist gut – die Verzahnung und Kettenreaktionen der einzelnen Ereignisse und Personen darzustellen, gelingt Vohrer unglaublich dicht und atmosphärisch. Szenenwechsel und Handlungssprünge sind präzise gesetzt. Lediglich der Einsatz von Standbildern, um von einer Szene in die andere zu wechseln, irritierte mich ein bisschen. Ich finde diese Hilfe hätte der Zuschauer nicht gebraucht, um sich noch in den verschiedenen Handlungsabläufen zurechtzufinden. Ich hatte sogar beim ersten Standbild den Eindruck, dass meine DVD im Player hängt. Ansonsten ist Vohrer aber ein endeckenswerter deutscher Thriller gelungen, der seinen guten Ruf als Deutschlands großer Genrefilmer nur bestätigt.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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