Sonntag, 18. Januar 2015

Der Stoff, aus dem die Träume sind

























Regie: Alfred Vohrer

Zwei Reporter auf gefährlicher Spur...

Alfred Vohrer ist ein deutscher Regisseur, den es noch zu entdecken gilt. Durch Horst Wendland, den Produktionschef der Rialto Film gelang ihm mit den Edgar Wallace Streifen der Durchbruch, sein "Die toten Augen von London" ist mit Sicherheit auch einer der besten deutschen Filme der 60er Jahre. Selbst Quentin Tarantino schätzt seine Arbeiten und hat ihn sogar schon einmal als eine Art deutschen Alfred Hitchcock bezeichnet. In den 70er Jahren hatte Vohrer erneut mit einer Filmserie großen Erfolg. Es lag damals im Trend die Romane von Johannes Mario Simmel zu verfilmen und so realsierte Vohrer für die Münchner Roxy Film unter Luggi Waldleitner 1971 "Und Jimmy ging zum Regenbogen", der ein riesiger Erfolg an der Kasse wurde und die Goldene Leinwand für mehr als 3 Millionen Kinozuschauer erhielt. Es folgte "Liebe ist nur ein Wort", "Der Stoff, aus dem die Träume sind", "Alle Menschen werden Brüder" und "Gott schützt die Liebenden". Das Drehbuch zu "Der Stoff, aus dem die Träume sind", der nur knapp die verlangte 3 Millionen Zuschauer Hürde für eine Goldene Kamera verfehlte schrieb Manfred Purzer. Zahlreiche gute Schauspieler wie Hannelore Elsner, Arno Assmann, Paul Edwin Roth, Klaus Schwarzkopf, Malte Thorsten, Charles Regnier, Rainer Basedow, Arthur Brauss verpflichtet werden. Die Hauptrolle bekam der Nachwuchsstar Paul Neuhaus. Die stärksten Darbietungen gehen aber auf das Konto von Herbert Fleischmann, der den humpelden Fotografen Bernie Engelhard, Kompagnon von Journalist Walter Roland, der von Neuhaus gespielt wird und von Edith Heerdegen als schizophrene Pflegerin Luise Gottschalk, die in einem Flüchtlingslager arbeitet und von den Geistern der Vergangenheit, der Gegenwart und sogar der Zukunft besucht wird. Allein die Szene, als sie den toten kleinen Karle auf ihren Armen wegträgt, ist von einer erhabenen Größe gekennzeichnet. Als Musikuntermalung komponierte Peter Thomas einen zeitgemäßen Sound der 70er Jahre.
Zur Handlung: Journalist Walter Roland und sein Fotograf Bertie recherchieren derzeit auf der Suche nach einer brisanten Story, die den Ausgangspunkt bei zwei jungen Überläufern aus der CSSR hat. Dabei wollte sein Chefredakteur Herford (Arno Assmann) eher eine Story über den "Mann total" - wir sind in einer Zeit kurz nach den 68ern. Der Prager Frühling der kurz zuvor blutig zerschlagen wurde und die sexuelle Befreiung durch eine freie Sexualität. Dies sind Themen für die "Blitz", die Zeitung, bei der Walter Roland seine Brötchen verdient. Als einer der beiden Flüchtlinge erschossen wird, versuchen Waler und Bertie, etwas über die Hintergründe der Tat herauszufinden. Sehr schnell ist es offensichtlich, dass der Tod des kleinen Karle irgendwie auch im Zusammenhang mit der jungen Irina (Hannelore Elsner) steht, die sich ebenfalls in diesem Flüchtlingsjager aufhält. Sie floh in den Westen, um ihrem Geliebten Jan Bilka (Rick Parse) zu folgen, von dem sie ein Kind erwartet. Er soll sich in Hamburg aufhalten, doch das Telefongespräch wird von ihm selbst unterbrochen. Warum ? Roland und Engelhardt bleiben dran und fahren gemeinsam mit der jungen Frau nach Hamburg. Dort werden ihre Ermittlungen immer rigoroser behindert. Es gibt sogar Zeugen, die plötzlich tot sind. Kein Wunder: Bilka hat Kentniss von den mitteleuropäischen Aufmarschplänen des Warschauer Paktes und zwei dazugehörige Mikrofilme. Die Journalisten geraten dabei immer mehr zwischen die Fronten von KGB, CIA und dem deutschen Verfassungsschutz....

 Alfred Vohrer setzte auch hier auf seiner langjährigen Crew mit Assistentin Eva Ebner, Drehbuchautor Manfred Purzer und Kameramann Charly Steinberger. Dabei erwies sich vor allem Edith Heerdegen als hellseherische Luise als Herzstück des Films. Ihre Szenen geben der Geschichte eine sehr seltsame Note, sie bildet sozusagen ein etwas irrealer, aber in der Tiefe nicht zu unteschätzender Gegenpart zu dem modernen Abenteuer zweier Journalisten, die an eine sehr brisante und vor allem lebensgefährliche Geschichte andockten.
Auch Arno Assmanns Performance als berechnender und Bibelverse zitierender Verlagsleiter Herford bietet eine kleine Galavorstellung. Diese Kleinigkeiten sind es, die den Film in einigen Phasen veredeln können und die Story offeriert interessante Querverbindungen einer Liebesgeschichte zur internationalen Spionage, zur deutschen Vergangenheit, zu einer schweren psychiatrischen Erkrankungen und zur zeitgenössischen Presse, die hier in den 70ern genauso voyeuristisch auftritt wie Heute.
Vohrer inszenierte mit der nötigen Ruhe, die die vielschichtige Geschichte auch braucht. Dabei bleibt es aber die gesamte Laufzeit von 142 Minunten interessant und spannend.
Sämtliche Ebenen werden durch die Regie eindringlich beleuchtet, die Rückblenden sind packend erzählt und äußerst glaubhaft gefilmt, die Ensembleleistung ist gut – die Verzahnung und Kettenreaktionen der einzelnen Ereignisse und Personen darzustellen, gelingt Vohrer unglaublich dicht und atmosphärisch. Szenenwechsel und Handlungssprünge sind präzise gesetzt.  Lediglich der Einsatz von Standbildern, um von einer Szene in die andere zu wechseln, irritierte mich ein bisschen. Ich finde diese Hilfe hätte der Zuschauer nicht gebraucht, um sich noch in den verschiedenen Handlungsabläufen zurechtzufinden. Ich hatte sogar beim ersten Standbild den Eindruck, dass meine DVD im Player hängt. Ansonsten ist Vohrer aber ein endeckenswerter deutscher Thriller gelungen, der seinen guten Ruf als Deutschlands großer Genrefilmer nur bestätigt.


Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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