Regie: Michael Haneke
Am Ende des Weges...
In "Liebe" zeigt uns Michael Haneke den letzten Abschnitt eines alten,
kultivierten Ehepaares. In Form eines kammerspielartiges Spiels, dass sich
dramatisch immer weiter steigert, macht der Zuschauer Bekanntschaft mit Georges
(Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva), die betagten und
gutsituierten Mieter einer Pariser Altbauwohnung mit holzvertäfelten Wänden und
Flügeltüren. Im Wohzimmer steht ein Konzertflügel, dort hat Anne gespielt und
als Lehrerin viele Schüler ausgebildet. Als sie eines Abend nach einem
Schubert-Konzert in die Wohnung zurückkehren, bemerken sie, dass man in die
Wohnung einbrechen wollte. Den richtigen Einbruch im Leben des Paares erleben
sie einige Tage später, als sie gemeinsam am Frühstückstisch sitzen und Anne
plötzlich wie weggetreten ist und auch nicht auf Georges Fragen antwortet. Sie
sitzt nur regungslos im ihrem Stuhl. Einige Minuten später ist sie wieder da und
kann sich an ihre geistige Abwesenheit überhaupt nicht mehr erinnern. Ein Besuch
beim Arzt bringt Klarheit über diesen katatonischen Zustand, doch die Operation
an der verengten Halsschladader misslingt und Anne ist nun halbseitig gelähmt.
Ein Handicap mit dem sie nur schwer umgehen kann, zumindest schwerer als ihr
Mann, der sie versucht liebevoll zu Umsorgen. Der Zustand verschlechtert sich
auch zunehmend, bald ist Anne auch nicht mehr in der Lage sich adäquat zu
artikulieren, sehr lange und quälend schreit sie um Hilfe. Die Tochter (Isabelle
Huppert) ist für eine Verlegung ins Pflegeheim, doch Georges hat seiner Anne
versprochen, sie zuhause zu lassen...
Der Film heißt zwar "Liebe" und wurde von der Filmkritik einhellig als
Hanekes bislang sanftester Film bejübelt, aber das Hauptthema ist eher das
Sterben und der Tod. Denn mit einem radikalen Bild entlässt Haneke den
Zuschauer, ein Bild, dass jede Hoffnung untergräbt, dass irgendetwas übrig
bleiben könnte...vom Leben, von der Liebe. Angedeutet wird dies im gezeigten
Prozess des Alterns, der mehrere Entwicklungen durchläuft. Zuerst löst diese
körperliche Schwäche bei Anne eine Art Hilfslosigkeit aus, denn sie möchte, dass
die Beziehung im Geben und Nehmen ausgeglichen bleibt. Was zuerst eher ein
Jammern auf höherem Niveau sein könnte, wird bald elementar - aber zu diesem
Zeitpunkt kann man nur noch deuten, was Annes "Hilfe" nun wirklich bedeuten
soll. Schauspielerisch ist der Film sehr stark, er lebt vom sehr starken Spiel
der Darsteller Trintignant und Riva, die zu Recht auch zahlreiche Preise bekamen
und sogar oscar nominiert waren. Ob der Film wirklich gefällt, ist wohl eine
Frage der Emotion. Ich mochte seine Aussage nicht. Auch die Nebenhandlung, in
dem der Filmemacher aufgrund der gestörten Sprachmotorik, den Lähmungen und dem
damit verbundenen sichtbaren geistigen Verfall das Thema Euthanasie in den
Vordergrund rückt, wird von Haneke meines Erachtens sehr plakativ und etwas
plump angegangen. Die offensiv dargestellte Kultiviertheit und Belesenheit der
beiden Protagonisten wird einige Male von Haneke sehr überbetont und wirkt durch
den Einsatz einer gewissen Symbolik manchmal arg gekünstelt. Aber gut, das ist
jetzt eher Kritik auf hohem Niveau. Hanekes Rechnung ging ja auf, der Film wurde
beinahe einhellig als neues Meisterwerk bejübelt und wer wenn nicht Haneke
könnte die unbeliebten Themen Alter und Krankheit, die von der Gesellschaft
gerne mal evakuiert werden, so erfolgreich ins Kino bringen. Möglicherweise hat
Haneke mit "Liebe" auch meinen Kopf erreicht, aber leider nicht das Herz. Denn
ohne Hoffnung ein Schlussbild mit viel Leere zu machen, ist schon sehr herzlos
und auch hinterhältig. Am Ende bleibt nämlich von der großen Liebe "nichts"
übrig.
Bewertung: 6,5 von 10 Punkten.
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