Dienstag, 17. Februar 2015

Eastern Boys



















Regie: Robin Campillo

Einsamkeit, Abhängigkeit, Liebe...

In einigen Tagen, am 20. Februar 2014, findet im Theatre du Chatelet in Paris die 40. Verleihung des französischen Filmpreises statt und nach dem Triumph dreier Filme mit schwuler Thematik im letzten Jahr (Maman und ich, Blau ist eine warme Farbe und Der Fremde am See) war es zwar nicht ganz so überraschend auch in diesem Jahr einen Film dieses Themenkreises bei den Nominierten zu finden, aber dennoch dürfte sich Robin Campillo, der Macher von "Eastern Boys" irre gefreut haben, dass sein Werk dreimal als Sieger vom Platz gehen könnte. Interessant auch insofern der Film bereits vor einiger Zeit im deutschen TV lief. "Eastern Boys" bekam Nominierungen als Bester Film, Campillo selbst ist unter den Nominierten für die beste Regie und Jungstar Kiril Jemeljanow kann sich Hoffnung machen Preisträger der Kategorie "Bester Nachwuchsdarsteller" zu werden. Im letzten Jahr, bei der Fernsehausstrahlung, schrieb 3sat, dass der Film von überzeugenden Darstellern, überraschenden Wendungen und einer stetig steigenden Spannungskurve getragen wird, dass das packende Drama um Abhängigkeit und Macht besonders intensiv macht. Und diese Einschätzung kann man nur noch einmal unterstreichen. Der Film ist weit mehr als ein Gay Liebesfilm über ein ungleiches Paar. Dieses muss sich nämlich im Immigranten Thriller gegen eine mächtige Gang behaupten, die an die Diebesbande um Fagin aus Charles Dickens "Oliver Twist" erinnert. Der Film hat unter anderem auch die Entfremdung der Menschen untereinander zum Thema.
Robin Campillos Film ist in vier Sekmente eingeteilt, der erste nennt sich "Ihre Majestät, die Straße" und spielt sich auf dem belebten Gare du Nord in Paris ab. Dort ist die Kamera auf das Treiben der Menschen gerichtet, dort lungern auch Banden von jungen Männern aus Osteuropa herum. Die Polizei hat ein waches Auge auf diese möglicherweise illegal im Land befindlichen Immigranten, die von Diebstahl und Prostitution lieben. Der Anführer einer Bande von Russen, Ukrainern und Moldawiern nennt sich "Boss" (Danil Worobjew). Einer dieser Jungs unter seiner Fittiche ist Marek (Kiril Jemeljanow), der von dem Anfang Fünfzigjährigen, gut situierten, homosexuellen Daniel (Olivier Rabourdin) angesprochen wird. Es kommt zur Verabredung am nächsten Abend. Doch aus dem erhofften guten Sex gegen Bezahlung wird vorerst nichts, da damit der 2. Teil  mit dem Titel "Diese Feier, auf der ich die Geisel bin" eingeleitet wird. Dies alles findet in Daniels Wohnung statt und immer mehr Eastern Boys klingeln dort an der Tür und rauben die Wohnung gemütlich, tanzend und mit dem alternden Daniel flirtend aus. Dumm gelaufen, aber die Geschichte geht weiter mit "Was wir zusammen machen", denn in den nächsten Tagen klingelt der Traumboy Marek noch einmal an der Tür. Diesmal ist er alleine. Damit wird eine ungleiche Beziehung zwischen Freier und Stricherjunge geboren, die sich aber gefühlsmässig intensiviert, im Rollenverhalten und in den Bedürfnissen verändert und am Ende im "Hotel Dungeons and Dragons" sich alles schicksalhaft erfüllen soll...


Dabei ist dem Regisseur ein hervorragendes Großstadtportrait über Anonymität und Einsamkeit geboren. Es gelingt Robin Campillo spielend eine Balance zu halten zwischen unmöglicher Lovestory und einem schwer überwindbaren Kulturschock auf beiden Seiten. Da ist einmal der reiche Großstädter, der mit seinem Leben als einsamer Wolf nicht besonders gut zurechtkommt dem Jungen, den er begehrt, eine seltsame Übereinkunft vorschlägt. Zuerst sind es immer 50 Euro für den schnellen Sex, dann will er mehr und favorisiert eine monatliche Pauschale von 400 Euro, was alles beihalten soll: Den Sex und die Zweisamkeit, die Nähe. Der Film zeigt in subtiler Weise diese Annäherung der beiden ungleichen Männer. In dem Moment als Marek seinen wahren Namen äussert und über sein Schicksal in Tscheschenien berichtet, geraten die Prioritäten dieser "Amour fou" mächtig durcheinander. Man könnte sagen, dass in Daniel irgendwann der Vater-Instinkt erwacht. Im Hotel wird dann die dritte wichtige Filmfigur vorgestellt, die junge Hotelmanagerin Chelsea (Edea Darque). Und eben in diesem Hotel wird alles ziemlich riskant, aber manchmal muss man für die Liebe kämpfen. Diese scheint so aussichtslos durch unüberbrückbare Grenzen und verschiedene Prioritäten, hat aber am Ende dann doch eine gewisse Chance. Dank Campillo der mit seiner Idee am Schluß dann doch einen Hoffnungsschimmer setzen kann, wie man zukünftig - trotz der eher destruktiven Abhängigkeit und der offensichtlichen Verschiedenheit - eine Vereinbarung treffen kann, die immerhin eine Chance bietet.
Alle drei Darsteller zeigen hervorragende Leistungen, an dieser Stelle sei auch noch neben den beiden Hauptdarstellern auch Danil Worobjew erwähnt, der den "Boss" spielt. Einerseits voller Klischees steckt, die man den im Westen gestrandeten und mittellosen, bösen Buben aus dem Osten immer so nachsagt. Andererseits zeigt auch er in einer beklemmenden Szene am Schluß das wahre Gesicht hinter seiner Schurken-Maske und dieses ist auch von starker Angst geprägt. Alles ist gut fotografiert, auch wenn die Drehorte gar nicht aufwendig gewählt werden mussten: Einfach am Bahnhof Kamera laufen lassen, dann in der eigenen Wohnung drehen, am Ende in den Hotelzimmern und im Korridor des Hotels. Fertig. Immer wieder wagt die Kamera den Blick aus dem Fenster von Daniels exklusiver, aber kalter Appartmentwohnung. Auch draußen scheint große Einsamkeit zu herrschen. Man hat dann das Gefühl, dass nichts in dieser Metropole wirklich Halt geben könnte...nur eben diese Nähe mit einem Menschen.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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