Regie: Robin Campillo
Einsamkeit, Abhängigkeit, Liebe...
In einigen Tagen, am 20. Februar 2014, findet im Theatre du
Chatelet in Paris die 40. Verleihung des französischen Filmpreises statt
und nach dem Triumph dreier Filme mit schwuler Thematik im letzten Jahr
(Maman und ich, Blau ist eine warme Farbe und Der Fremde am See) war es
zwar nicht ganz so überraschend auch in diesem Jahr einen Film dieses
Themenkreises bei den Nominierten zu finden, aber dennoch dürfte sich
Robin Campillo, der Macher von "Eastern Boys" irre gefreut haben, dass
sein Werk dreimal als Sieger vom Platz gehen könnte. Interessant auch
insofern der Film bereits vor einiger Zeit im deutschen TV lief.
"Eastern Boys" bekam Nominierungen als Bester Film, Campillo selbst ist
unter den Nominierten für die beste Regie und Jungstar Kiril Jemeljanow
kann sich Hoffnung machen Preisträger der Kategorie "Bester
Nachwuchsdarsteller" zu werden. Im letzten Jahr, bei der
Fernsehausstrahlung, schrieb 3sat, dass der Film von überzeugenden
Darstellern, überraschenden Wendungen und einer stetig steigenden
Spannungskurve getragen wird, dass das packende Drama um Abhängigkeit
und Macht besonders intensiv macht. Und diese Einschätzung kann man nur
noch einmal unterstreichen. Der Film ist weit mehr als ein Gay
Liebesfilm über ein ungleiches Paar. Dieses muss sich nämlich im
Immigranten Thriller gegen eine mächtige Gang behaupten, die an die
Diebesbande um Fagin aus Charles Dickens "Oliver Twist" erinnert. Der Film hat unter anderem auch die Entfremdung der Menschen untereinander zum Thema.
Robin
Campillos Film ist in vier Sekmente eingeteilt, der erste nennt sich
"Ihre Majestät, die Straße" und spielt sich auf dem belebten Gare du
Nord in Paris ab. Dort ist die Kamera auf das Treiben der Menschen
gerichtet, dort lungern auch Banden von jungen Männern aus Osteuropa
herum. Die Polizei hat ein waches Auge auf diese möglicherweise illegal
im Land befindlichen Immigranten, die von Diebstahl und Prostitution
lieben. Der Anführer einer Bande von Russen, Ukrainern und Moldawiern
nennt sich "Boss" (Danil Worobjew). Einer dieser Jungs unter seiner
Fittiche ist Marek (Kiril Jemeljanow), der von dem Anfang
Fünfzigjährigen, gut situierten, homosexuellen Daniel (Olivier
Rabourdin) angesprochen wird. Es kommt zur Verabredung am nächsten Abend. Doch aus dem erhofften guten Sex gegen Bezahlung wird vorerst nichts, da damit der 2. Teil
mit dem Titel "Diese Feier, auf der ich die Geisel bin" eingeleitet
wird. Dies alles findet in Daniels Wohnung statt und immer mehr Eastern
Boys klingeln dort an der Tür und rauben die Wohnung gemütlich, tanzend
und mit dem alternden Daniel flirtend aus. Dumm gelaufen, aber die
Geschichte geht weiter mit "Was wir zusammen machen", denn in den
nächsten Tagen klingelt der Traumboy Marek noch einmal an der Tür.
Diesmal ist er alleine. Damit wird eine ungleiche Beziehung zwischen
Freier und Stricherjunge geboren, die sich aber gefühlsmässig
intensiviert, im Rollenverhalten und in den Bedürfnissen verändert und
am Ende im "Hotel Dungeons and Dragons" sich alles schicksalhaft
erfüllen soll...
Dabei ist dem Regisseur ein
hervorragendes Großstadtportrait über Anonymität und Einsamkeit geboren.
Es gelingt Robin Campillo spielend eine Balance zu halten zwischen
unmöglicher Lovestory und einem schwer überwindbaren Kulturschock auf
beiden Seiten. Da ist einmal der reiche Großstädter, der mit seinem
Leben als einsamer Wolf nicht besonders gut zurechtkommt dem Jungen, den
er begehrt, eine seltsame Übereinkunft vorschlägt. Zuerst sind es immer
50 Euro für den schnellen Sex, dann will er mehr und favorisiert eine
monatliche Pauschale von 400 Euro, was alles beihalten soll: Den Sex und
die Zweisamkeit, die Nähe. Der Film zeigt in subtiler Weise diese
Annäherung der beiden ungleichen Männer. In dem Moment als Marek seinen
wahren Namen äussert und über sein Schicksal in Tscheschenien berichtet,
geraten die Prioritäten dieser "Amour fou" mächtig durcheinander. Man
könnte sagen, dass in Daniel irgendwann der Vater-Instinkt erwacht. Im
Hotel wird dann die dritte wichtige Filmfigur vorgestellt, die junge
Hotelmanagerin Chelsea (Edea Darque). Und eben in diesem Hotel wird
alles ziemlich riskant, aber manchmal muss man für die Liebe kämpfen.
Diese scheint so aussichtslos durch unüberbrückbare Grenzen und
verschiedene Prioritäten, hat aber am Ende dann doch eine gewisse
Chance. Dank Campillo der mit seiner Idee am Schluß dann doch einen
Hoffnungsschimmer setzen kann, wie man zukünftig - trotz der eher
destruktiven Abhängigkeit und der offensichtlichen Verschiedenheit - eine Vereinbarung treffen kann, die immerhin eine Chance bietet.
Alle drei Darsteller zeigen hervorragende Leistungen, an dieser Stelle sei auch noch neben den beiden
Hauptdarstellern auch Danil Worobjew erwähnt, der den "Boss" spielt.
Einerseits voller Klischees steckt, die man den im Westen gestrandeten
und mittellosen, bösen Buben aus dem Osten immer so nachsagt.
Andererseits zeigt auch er in einer beklemmenden Szene am Schluß das
wahre Gesicht hinter seiner Schurken-Maske und dieses ist auch von
starker Angst geprägt. Alles ist gut fotografiert, auch wenn die
Drehorte gar nicht aufwendig gewählt werden mussten: Einfach am Bahnhof
Kamera laufen lassen, dann in der eigenen Wohnung drehen, am Ende in den
Hotelzimmern und im Korridor des Hotels. Fertig. Immer wieder wagt die
Kamera den Blick aus dem Fenster von Daniels exklusiver, aber kalter
Appartmentwohnung. Auch draußen scheint große Einsamkeit zu herrschen.
Man hat dann das Gefühl, dass nichts in dieser Metropole wirklich Halt
geben könnte...nur eben diese Nähe mit einem Menschen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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