Mittwoch, 25. Februar 2015

Sag nicht wer du bist

















Regie: Xavier Dolan

Gefährliche Lust an Unterwerfung...

Xavier Dolan ist ein sehr interessanter Filmemacher. Der 1989 in Montreal geborene Frankokanadier spielt in den meisten seiner Filme auch die Hauptrolle, er schreibt die Drehbücher für seine Filme und beteiligt sich auch an der Produktion.
Der junge Filmemacher lebt offen homosexuell und schon sein erster Film "I killed my mother" beschreibt die Beziehung eines jungen Homosexuellen mit seiner Mutter.  "Herzensbrecher" war eine Art Gay Neuauflage von Truffauts "Jules und Jim", die franzöische Regielegende kann sicherlich auch als eine von Dolans Inspirationsquellen angesehen werden. Mit dem 2013 entstandenen "Sag nicht, wer du bist" (im Original: Tom a la ferme) widmet er sich erstmalig einem bisher unergründeten Genre, dem Psychothriller. Für das subtile Kammerspiel mit Thrillerelementen adaptierte er das Theaterstück von Michel Marc Bouchard. Der Regisseur ist als blonder Tom zu sehen, der zur Beerdigung seines Lovers Guillaume in die kanadische Einöde reist. Dort in der Provinz ist der Mittzwanziger- Hipster aus der Werbebranche Montreals ein Fremdkörper und muss sehr schnell erkennen, dass der Freund seine Homosexualität der Familie verborgen hat. Auf der Farm lebt Guillaumes etwas weltfremde Mutter Agathe (Lise Roy) mit ihrem älteren Sohn Francis (Pierre Ives Cardinal), der als Einziger das Geheimnis von Guillaume kannte. Er nötigt aber Tom sofort dazu, dass er nur den Kumpel vorzuspielen hat. Die Lüge von der Freundin Sara (Evelyn Brochu) soll aufrechterhalten bleiben. Mehr noch: Francis ändert seine Meinung, dass Tom sofort nach der Beerdigung verschwinden soll. Statdessen scheint er eine helle Freude darin zu haben seine Homophobie auch sadistisch auszuleben. Er schlägt und erniedrigt Tom mehrmals. Doch gleichzeitig macht er Tom auch vage Avancen. Dieser zeigt zunehmend eine gewisse Lust an der Unterwerfung, so lässt er sich paralysiert immer mehr auf die aggressiven und brutalen Spielchen ein..


damit gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zu einem weiteren, sehr interessanten Gay-Erotikthriller "Der Fremde am See" von Alain Guiraudie, der einen schwulen Mann zeigt, der am Baggersee einen Mord beobachtet und dennoch in der Folge eine Art unterwürfiges Verhältnis zu dem Mörder wünscht. Dolan inszeniert die Geschichte als schizophrenen Psychothriller in Hitchcock-Tradition, sogar der Soundtrack erinnert etwas an "Psycho". Bereits in die ersten Szenen als Tom mit dem Auto in die ländliche Gegend fährt, die Kamera die Totale einfängt und man langsam die etwas abseits gelegene Farm erkennen kann, kommt ein ungutes Gefühl auf. In jeder Szene gelingt es Dolan durch seine unglaubliche Bildsprache die Unsicherheit einzufangen. Tom ist hin- und hergerissen und nach einer Tanzszene in der Scheune versucht er selbst die Dynamik zu verschärfen. Dabei ist die Figur des Francis besonders gut gelungen, er ist sicherlich einer der interessantesten Bösewichte im Thrillergenre der letzten Jahre. Ein brutaler Psychopath, der intelligent genug ist und seine Handlungen rechtfertigen kann. Der arme Tom ist nicht nur ein Opfer seiner sexuellen Lust, er wartet darauf von seinem Peiniger missbraucht zu werden - er sucht auch sich selbst und dieser Prozess einer Identitätsbildung ist äusserst gefährlich. Natürlich sind die Versatzstücke aus dem Hichcock Fundus eindeutig gegeben, aber Xavier Dolan hat schon was sehr Eigenes daraus geschaffen. Die Atmosphäre ist perfekt, vieles spielt sich vor den ockerfarbenen vertrockneten Maisfeldern vor dem Haus ab.
Das kanadische Wunderkind kann auch mit "Sag nicht, wer du bist" begeistern und mit freudiger Erwartung ist bereits ein Remake von Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche" angekündigt.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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