Dienstag, 17. Februar 2015

The Best Offer

























Regie: Giuseppe Tornatore

Agoraphobie....

Die Flucht vor dem Leben, der Fatalismus des Voyeurs, die Eitelkeit der Kunst – all dies sind Themen des Hitchcock-Ausflug "The Best Offer" von Giuseppe Tornatore. Der italienische Regisseur wurde vor allem durch seine poetischen und melancholischen Italienfilme "Cinema Paradiso" oder "Der Zauber von Malena" bekannt. Insofern ist sein geisterhafter Romantikthriller der Weg in eine ganz andere Richtung. Zum Lohn gab es einige Nominierungen zum europäischen Filmpreis 2013, hatte aber gegen Landsmann Paolo Sorrentino mit dessen ausufernder Rom-Orgie keine Chance. Gekonnt spielt der Film mit der Kunst, mit Gemälden - mit Originalen und Fälschungen und wenn "Vertigo" das Original ist, dann hat Tornatore mit seinem Thriller aber eine überaus hervorragende und stilvolle Fälschung hingelegt. Rational wird man den Thriller kaum so genießen können, wie auf der emotionalen Ebene - aber das war ja beim großen Vorbild von Hitchcock auch nicht anders. Man muss also nachvollziehen können, warum Scottie Ferguson von dieser Madeline Elster, die er beschatten soll, so fasziniert wird, dass sie zur Obsession wird. Ebenso muss ein Virgil Oldman (Geoffrey Rush spielt grandios) für glaubwürdig halten. Denn der exzentrische Einzelgänger steckt voller Neurosen und Zynismus. Der Mann ist reich und angesehen, weil er seit Jahren der gefragteste Kunst- und Antiquitätenauktionator der Welt ist. Sein Alltag besteht aus Auktion und dem Chillen in seinem geheimen Zimmer seiner Villa, wo sich wohl die wertvollste, epochenübergreifendste Sammlung von Frauenporträts befindet. Unter den Bildern befinden sich Gemälde von Rafael, Tizian, Dürer und Renoir.  Ausserdem hat der Sonderling eine arg feti­schis­ti­sche Faszi­na­tion für Leder­hand­schuhe. Diese Hand­schuhe dienen aber auch als Schutz, denn das psycho­lo­gi­sche Haupt­motiv ist eine unüberwindbare Scheu vor Menschen. Er hat Angst zu berühren. So verehrt er zwar die Frauen, hat aber noch niemals körperlichen Kontakt gehabt.  Zusammen mit seinem Vertrauten Bily (Donald Sutherland) preist er von zeit zu Zeit bedeutende Kunstwerke auch unter Wert an, um sie dann verdeckt selbst zu ersteigern - so wurde seine private Sammlung immer größer und der Wert dieser Kunstwerke nimmt inzwischen astronomische Summen an. Für seine aufwendigen Restaurationen benötigt er mitunter die Hilfe des Bastlers Robert (Im Stugress) an. Der junge Mann ist äusserst attraktiv und hat ständig Frauen um sich. Virgils Schicksal nimmt eine tragische Wendung, nachdem er im Haus seiner neuen Klientin Claire Ibbetson (Sylvia Hoeks) kleine Teile einer mehrere hundert Jahre alten Maschine entdeckt. Die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, dass es Einzelteile eines bekannten, verschollenen Automaten von unschätzbarem Wert handelt. Und die Teile müssten in dieser Villa verstreut und zu finden sein. Finden tut er auch immer mehr die Besiitzerin des Hauses, die sich seltsam mysteriös benimmt. Sie erscheint nie persönlich und soll an einer unheilbaren Krankheit landen. So finden die Kontakt zuerst nur telefonisch statt, ab einem gewissen Zeitpunkt unterhält sich der 63jährige Neurotiker an der Tür vor ihrem abgeschlossenen Zimmer. Eine Seelenverwandte ? Er findet heraus, dass Claire seit ihrer Jugend an Agoraphobie leidet und das Zimmer nur dann verlässt, wenn sie alleine ist. Im Laufe der Katalogisierung des zu versteigenden Inventars wird Virgils Interesse an der unnahbaren Claire aber immer größer...


ein weiteres Leitmotiv neben dem großen Hitchcock Flair borgt sich Tornatore aus Martin Scorseses "Hugo Cabret" aus - das Automatom als Form zur Welt, denn eine große Magie soll hinter dem Uhrwerk stecken.  Wie James Stewart in "Vertigo" wird sich die Faszination des Mannes an der unnahbaren Frau immer mehr faszinieren und die Liebe folgt den Gefühlen und sagt dem Verstand möglicherweise Adieu. So wird Virgil Oldman im Hauptteil des Films von seinem Freund auch gewarnt, dass auch die Fälschung etwas "echtes" hat, genau wie bei den Gemälden. Den gleichen Rat bekommt der Liebende dann auch von seinem jungen Mechaniker. Geradezu wunderbar wie Tornatore mit seinem leisen Thriller einen bewussten Gegenpol zu dem hektischen und actiongeprägten Kino der Jetztzeit setzt. Immer mehr gleitet die Geschichte in einen hypnotischen Rhythmus, dem man sich nur schwer entziehen kann. Darüberhinaus zelebriert Kameramann Fabio Zamarion ein Fest für die Sinne, vor allem fürs Auge. Für Freunde von Auktionen, Kunst und Kunstgeschichte ist der suggestive Thriller sowieso ein Muß. Aber wie gesagt, man muss das Verhalten der Protagonisten nicht unbedingt rational deuten wollen, sie folgen dem Gefühl. Und auch vielleicht einem übergeordneten Plan, der nur dann funktioniert, wenn er auf lange Hand sorgfältig geplant ist und somit auch die komplexe Konstruktion und Inszenierung perfekt durchkomponiert ist. Und dies erscheint dann doch im Hinblick auf ein höherwertiges Ziel, dass erreicht sein will, dann doch wieder sehr logisch. "The Best Offer" hat mich sehr gefesselt mit seiner wahnwitzigen und fast albtraumartigen Geschichte.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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