Sonntag, 1. Februar 2015

Nordwand

























Regie: Philipp Stölzl

Nordwand, Mordwand...

Mit "Nordwand", dem Film von Philipp Stölzl konnte die modernisierte Version des alten Bergfilm-Genres auch dem Kinopublikum des Jahres 2008 gefallen, 410 000 Zuschauer in Deutschland sahen die Tragödie einer Eiger-Nordwand-Besteigung in den 30er-Jahren. Dabei warf man dem Münchner Filmemacher leider eine mangelnde Distanz zur deutschen Geschichte und der politisch-propagandistischen Dimension des Genres vor. Ich appelliere allerdings an die Intelligenz des mündigen Zuschauers, dem es auch gelingt ohne die üblichen kritischen Belehrungen in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, in die Zeit eines sich ideologisch stark machenden deutschen Reiches hineinzuversetzen, denn er weiß ja schließlich wohin dieser erstarkte Nationalismus hingeführt hat. So ist doch schon die Rede eines Sprechers aus ener Wochenschau, der die deutsche Jugend eindringlich mit Parolen von Stärke, Mut, Ehre und Draufgängertum einstimmt diese Eiger-Nordwand zu bezwingen, das letzte Problem der Alpen. Ich lasse den Vorwurf, den man da dem Regisseur macht überhaupt nicht gelten - im Gegenteil, ich halte diese Kritik für schwachsinnig. Zumal der Film ja entgegengesetzt dieser heroischen Hurra-Stimmung am Anfang sehr schnell umschwenkt und die Natur dem Bezwingergeist der Menschen einen herben Strich durch die Rechnung macht. Denn das was die 4 Bergsteiger dann vorfinden ist wild, unberechenbar und lebensfeindlich. Der Aufstieg über die Eisfelder und steilen Felsvorsprünge der Eiger Nordwand fordert bald alles ab, als das Wetter umschlägt. Aus dem geplanten Olympia Gold wird für die jungen Männer leider nichts, der ungleiche Kampf Mensch gegen Natur wurde verloren und am Ende steht der Tod. Optisch ist "Nordwand" von der Kamera von Kolja Brandt sehr gut eingefangen und es ist das Drama vorherrschend. Die Manneskraft des deutschen Helden bleibt auf der Strecke. Also wo bitteschön ist da diese kritisierte "Blut, Schweiß und Tränen" Mentalität geblieben ? Wo wird im Film heroisch gestorben ? Das Gegenteil ist doch der Fall, wenn man am Ende den sterbenden Toni Kurz hilflos am Seil hängen sieht.  Vorher war zwar die Euphorie groß, trotz des großen Respekts vor der Wand, die in dieser Zeit Mordwand genannt wurde, nach der Sage haust bei diesem unbezwingbaren Berg der "Oger", eine menschenfressenden Gestalt, die angeblich hoch oben in der Wand haust. Die beiden Münchner Bergsteiger Karl Mehringer und Max Sedlmayer sterben im August 1935 beim Erstversuch im Schneesturm. Der Film zeigt den Zweitversuch in dieser Zeit durch die Deutschen Toni Kurz (Benno Fürman) und Andreas Hinterstoißer (Florian Lukas) aus Berchtesgaden sowie ihre Auseinandersetzung mit den Österreichischen Konkurrenten Willy Angerer (Simon Schwarz) und Edi Rainer (Georg Friedrich). Beide Teams steigen am 18. Juli, zunächst als konkurrierende Seilschaften auf der gleichen Route in die Wand ein. Sie mieden alle den Direktanstieg zum zweiten Eisfeld und wählten daher eine Route weiter westlich als Sedlmayr und Mehringer. Irgendwann schließen sich die Seilschaften zusammen. Die nazionalsozialistische Welt schaut diesem Spektakel natürlich besonders aufmerksam zu, daher wird das Geschehen oben auf dem Berg auf dem Gebirgspass Kleine Scheidegg von der Terrasse des Grand Hotels mit Fernrohren von zahlreichen Schaulustigen und der Weltpresse beobachtet – mit dabei auch die Berliner Zeitung mti dem nazitreuen Journalisten Henry Arau (Ulrich Tukur) und der Fotografin Luise Fellner (Johanna Wokalek). Für Arau muss natürlich der deutsche Triumph dokumentiert werden, was ja am Anfang auch danach aussieht. Gerade jetzt - so kurz vor der Olympiade - lechtzt das Regime ja nach diesen deutschen Heldengeschichten. Luise ist dabei in einem Dilemma - einerseits hofft sie auch auf diese heroische Story, andererseits empfindet die junge Frau, die ebenfalls aus Berchtesgaden stammt, sehr viel für den Bergsteiger Toni Kurz. Als klar wird, dass die Besteigung nicht gelingen wird, gibt es für den Zeitungsmenschen nur einen Grund zu bleiben: Statt der planmässigen Rettung der vier Bergsteiger, die keinen Leser interessiert, kann nur die ultimative Tragödie auch vermarktet werden....


Stölzl hat wie ich finde eine sehr guten deutschen Genrefilm abgeliefert, der sich nur eine Schwachstelle leistet: Als Tonis Freundin ist Luise am Stollenloch 3,8 mitten in der Wand am Ende mittendrin im Geschehen. Dies entspricht auch nicht der historischen Richtigkeit, aber wird als Publikumszugeständnis mit integriert mit viel Dramatik...aber auch mit dem einzigen übertriebenen Moment, wenn die liebende Frau von dem Rettungsteam als "Schutzengel" bezeichnet wird, weil sie die ganze Nacht im Schnee vor diesem Stollenloch ausharrt. Für mich die einzige Schwachstelle des Films, der wohltuend ernsthafter und weniger reißerisch daherkommt als US-Verwandte wie "Vertical Limit" von Martin Campbell. Sehr überzeugend auch das Duo Fürmann und Lukas: Letzterer hat den Part des Draufgängers, Fürman dagegen ist der besonnene und nachdenkliche Part - eine gute Ergänzung für eine Freundschaft.


Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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