Regie: Andre Techine
Aus verschiedenen Perspektiven...
Beim französischen Filmregisseur lässt sich auch ein gewisser
Themenschwerpunkt herauslesen: Die Jugend. 1995 erhielt er als bester
Regisseur den Cesar, sein melancholisches Coming of Age Movie "Wilde
Herzen" gewann auch den Preis als bester Film des Jahres 1995 - trotz
großer Konkurrenz wie "Die Barholomäusnacht", "Drei Farben Rot" oder
"Leon der Profi".
Weniger bekannt, aber genauso sehenswert ist sein 1991 entstandener
"Ich küsse nicht". Auch 2007 entstandener Beitrag zum HIV-Thema "Wir
waren Zeuge" schilderte die Krankheit aus der Sicht des jungen Manu,
gespielt von Nachwuchsstar Johan Libereau. Wieder wurde der Film für den
Cesar nominiert. Und auch wenn in seinem 1996 entstandenen "Diebe der
Nacht" lange Zeit nicht klar wird, wessen Geschichte der Film rückt am
Ende doch wieder der Teenager Justin, gespielt von Julien Riviere, in
den Mittelpunkt.
Von diesem Jungen wird auch die Geschichte im Off zuerst erzählt.
Dieser Junge wird mitten in der Nacht durch die Schreie seiner
Mutter (Fabienne Babe) wach - sein Vater Ivan (Didier Bezace) ist tot.
Und dessen Leichnam wurde an der Tür der Ville in den Rhone-Alpes
abgegeben und liegt nun im heimischen Wohnzimmer. Der Junge ahnt, dass
seine Familie ihm etwas verschweigt. Warum ist sein Großvater (Ivan
Desny) so wütend auf seinen Onkel Alex (Daniel Auteuil), der bei den
Bullen arbeitet. Bald weiß auch der Zuschauer mehr: Alex ist das
schwarze Schaf der Familie, denn alle anderen sind Gangster - aber wie
Geschäftsleute angesehen und organisiert. Von der Familie wird Alex
deshalb wie ein Aussätziger behandelt. Der Film erzählt die Geschichte
eines Überfalls und seine tödlichen Folgen (Ivan) in sieben Kapiteln und
vier verschiedenen Perspektiven.
Nach dem Jungen Justin präsentiert Techine Rückblenden aus der
Sicht von Alex. Danach wird Alex Geliebte Juliette Fontana (Laurence
Cote) eingeführt, die der Bulle, der in Lyon arbeitet, durch eine
Verhaftung im Milieu kennenlernt, sie als Polizeispitzel anheuern will,
aber stattdessen mit der jungen Frau eine sexuelle Beziehung beginnt.
Dabei kennt er auch deren kriminellen Bruder Jimmy (Benoit Magimel), der
mit Ivan Geschäfte macht. Juliette hat ausserdem eine Beziehung zu der
Philosophieprofessorin Marie Leblanc (Catherine Denueve).
Dies macht die Sache natürlich komplizierter und obwohl Alex den
Coolen spielt, der nur am Sex interessiert ist, agiert er zunehmend
eifersüchtig. Zusätzlich ist zu erkennen, dass Alex durch seine
kriminelle Familie hin- und hergerissen wird. Er weiß, dass sein Bruder
nicht nur einen gut gehenden Travestieclub unterhält, sondern auch ein
Netzwerk von Autohändlern betreibt, die teure Autos stehlen und sie ins
Ausland verkaufen. Am Ende steht der Abschied, aber auch der Neuanfang..
Für wen ist allerdings eine Überraschung. "Diebe der Nacht" erweist
sich als gut gelungene Genremixtur. Ein wenig Polizeithriller, etwas
mehr Gangsterfilm, bei dem die Amour fou auch nicht zu kurz kommt. Durch
die originelle Erzählweise ist der Film etwas verschachtelt, was einen
zusätzlichen Reiz beim Sehen hat. Darüberhinaus ist er klasse gespielt.
Catherine Denueve überrascht mit der sehr ungewöhnlichen Rolle als
sensible Lesbierin. Ein bisschen Femme Fatale ist aber in der Rolle der
jungen Juliette angelegt - Laurence Cote spielt die Figur perfekt. Für
Techine sind die Menschen wichtiger als die Action. Auf einfühlsame
Weise bringt er die Figuren dem Publikum sehr nahe. Sehr geglückt auch
die verschiedenen Perspektiven, die Techine gewählt hat. Sie führen
dazu, dass man die Motive der Figuren verstehen kann und gelegentlich
kommen auch Film Noir Elemente zum Tragen.
Wie bereits "Wilde Herzen" war "Diebe der Nacht" ein Thema für die
Cesar-Verleihung. In insgesamt fünf Kategorien gabs Nomierungen: Bester
Film, beste Regie, Beste Darstellerin Catherine Denueve, beste
Nachwuchsdarsteller Benoit Magimel und Laurence Cote - die gewann auch
den Preis.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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