Mittwoch, 16. Mai 2018

Die Milchstraße

























Regie: Luis Bunuel

Einzigartiger Pilgerweg...

m Grunde ist "Die Milchstraße" von Luis Bunuel ebenso Episodenfilm wie auch sein später entstandener "Das Gespenst der Freiheit" und er sollte erst 15 Monate nach der Ausstrahlung im deutschen Fernsehen im Jahr 1970 in die deutschen Kinos kommen. Ein Erfolg war dem Film damals nicht beschieden, als er erstmalig in Frankreich am 15. März 1969 in die französischen Kinos kam. Zu offensichtlich war die Kritik an der katholischen Kirchenlehre und manche gingen sogar soweit den Filmemacher der Blasphemie zu beschuldigen. Tatsächlich scheint "Die Milchstraße" mit den suggestiven Bildsequenzen Verunsicherung schaffen zu wollen und zu schockieren. Dem Zuschauer fällt es zeitweise schwer, sich bei den ganzen Aufprall von Dogmen, Häresien und Blasphemien zu orientieren, denn es passiert auf dem Weg zum Ziel viel Merkwürdiges und Abstruses.
Unsere Milchstraße wird sehr oft als das himmlische Aquivalent des Jakobswegs bezeichnet, Bunuel hatte somit seinen Filmtitel.
Das Ziel der beiden Clochards Jean (Laurent Terzieff) und Pierre (Paul Franceur) ist der spansiche Wallfahrtsort Santiago de Compostela. Dort soll ja das angebliche Grab des Apostels Jakob sein und seit vielen Jahrhunderten pilgern die Gläubigen auf ganz verschiedenen Routen dorthin.
In erster Linie ist aber der Camino Frances gemeint, jene hochmittelalterliche Hauptverkehrsachse in Nordspanien, die von den Pyrenäen aus zum Jakobsgrab führt, sie entstand bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts.
Die Pilgerfahrt der beiden Wanderer beginnt noch in Frankreich und wird zunehmend zu einer Reise durch Raum, Zeit und (Kirchen)geschichte. Sie begegnen auf ihrem Weg dorthin dem Teufel (Pierre Clementi) und auch Jesus (Bernard Verley) und seinen Jüngern. Auch die Jungfrau Maria (Edith Scob) tritt in Erscheinung und der Marquis de Sade (Michel Piccoli).  Aber zuerst werden sie beim Aufbruch noch einem geheimnisvollen Mann mit Umhang (Alain Cuny) begegnen, der ihnen den Ratschlag gibt mit einer Prostituierten Kinder zu zeugen und diese Kinder "Du bist nicht mein Volk" und "Kine Barmherzigkeit mehr" zu nennen. Auf ihrer Wanderung begegnen sie vielen sogenannten Gläubigen, doch als Arme sind sie nicht immer erwünscht. Sie werden oft weggejagt. Doch sie erleben Streitgespräche zwischen Jesuiten und Jansenisten. Sie wohnen Folterungen und Verbrennungen von Häretikern bei und in einem Alptraumbild sieht Jean wie ein Papst von einem Erschießungskommando hingerichtet wird. Sie werden Zeuge wie schon Kleinkinder eines religiösen Internat "erzogen" werden (dieses Gedicht über den Fluch der Ungläubigen, das die kleinen Mädchen aufsagen, gehört zu den besten Szenen des Films) oder erleben die Gespräche eines Maitre d´Hotel (Julien Berteau), der mit seinen Angestellten über Gott, Jesus und den heiligen Geist diskutiert.
Es hagelt kleine Bosheiten und fiese Fallen in diesen ironischen, sarkastischen und absurden Sequenzen - aber sie geben Rätsel auf und bewegen doch zum Nachdenken.  Die Handlung ist niemals linear sondern fungiert als symbolischer Reisebericht, der einen starken Anteil christlicher Geschichte wieder zum Leben erweckt. Aus einer skeptischen Perspektive lassen sich vielleicht aber auch gewisse Wahrheiten erkennen und der Wunsch des Menschen nach der Sinnsuche, die logischerweise nur in der Spiritualiät zu finden ist.  Als die beiden die Grenze nach Spanien endlich hinter sich gelassen haben, treffen sie noch auf zwei Protestanten (Denis Manuel, Daniel Pinon), auf dessen Esel sie eine gewisse Zeit aufpassen sollen. Die beiden jungen Männer wollen Zeuge sein wie das Grab eines geistlichen Würdeträgers, der als Ketzer entlarvt wurde, ausgehoben wird, um ihn von der heiligen Erde zu verbannen. Am Ende treffen die beiden tatsächlich auf die Prostituierte (Delphine Seyring) und Jesus gibt zwei Blinden das Augenlicht wieder. Als Schlußbild ein weiterer Aspekt des "Wunders"...




und die Frage, ob allein der Glaube Berge versetzt bzw. der Glaube die Realität bestimmt. "Ich bin Athesist, Gott sei Dank" ist der berühmte Ausspruch von Bunuel und trotz der großen Kritik, die er hier ausübt, gelingt ihm ein Film, der dazu auffordert, sich wieder mit dem Glauben und der Religion auseinanderzusetzen. In der Tiefe offenbart "Die Milchstraße" die Suche nach einer Wahrheit, die dem Menschen leider verschlossen bleibt.



Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.

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