Regie: Eric Rohmer
Unentschlossener Gaspard...
Der französische Filmregisseur unterteilte vielen seiner Filme in Zyklen. So finden sich unter dem Begriff "Moralische Erzählungen" Filme wie "Die Bäckerin von Monceau", "Die Karriere von Suzanne", "Die Sammlerin", "Meine Nacht bei Maud", "Claires Knie" und "Die Liebe am Nachmittag". In den 80er Jahren widmete sich der Regisseur vornehmlich "Komödien und Sprichwörtern" zu denen die Filme "Die Frau des Fliegers", "Die schöne Hochzeit", "Pauline am Strand" , "Vollmondnächte", "Das grüne Leuchten" und "Der Freund meiner Freundin" gehören. "Die Erzählungen der vier Jahreszeiten" eröffnete er ganz am Ende der 80er Dekade mit "Frühlingserzählung". Es folgten "Wintermärchen" (1992), "Sommer" (1996) und "Herbstgeschichte" (1998) beeendete die Tetralogie, die er kurz vor dem 70. Lebensjahr begann und im Alter von 78 Jahren beendete. Man kann dieses Film-Quartett schon als Alterswerk bezeichnen und es ist erstaunlich wie der betagte Filmemacher immer noch die Fähigkeit hatte die Sprache und die Emotionen von jungen Menschen perfekt einzufangen. Allerdings muss man bei Filmen von Eric Rohmer ein Faible für Dialoge haben, denn seine Protagonisten sind sehr gesprächig und sie reden sehr viel über sich. Neben "Pauline am Strand" ist der 1996 entstandene "Sommer" einer meiner Favoriten des Regisseurs - hier stimmt nach meiner Einschätzung einfach alles, vor allem erlebt man - wenn man sich auf die Geschichte und auf die Figur Gaspard einlässt - irgendwann diese magischen Momente. Unter der Sommersonne der Bretagne breitet Rohmer mehr und mehr eine komplexe Geschichte aus, die einen jungen Helden beschreibt, der irgendwie innerlich zerissen ist und in seinen Ansichten und Emotionen hin- und her schwankt. Der attraktive Melvin Popaud ist wie geschaffen für diese Rolle und er wird dabei von drei genauso attraktiven Frauen umworben.
Da wäre einmal die sehr extrovertierte Studentin Margot (Amanda Langlet - spielte bereits die Hauptrolle in "Pauline am Strand"), die in der Kneipe ihrer Tante jobbt und die ein Auge auf den schüchternen Neuankömmling Gaspard (Melvil Popaud) geworfen hat. Gaspard hat nur noch wenige Tage Zeit die Sommerferien im kleinen Ort Dinard zu genießen, denn er wird bald die erste Arbeitsstelle als Mathematiker antreten. Der junge Mann, der begeistert Musik macht und seine Gitarre dabei hat, freut sich auf seine Freundin Lena (Aurelia Nolin), die ihm versprochen hat sich hier mit ihm zu treffen. Doch die junge Dame lässt sich reichlich Zeit, sie ist mit ihrer Schwester und zwei Cousins unterwegs in Spanien. Für Margot wirkt Gaspard schüchtern, doch sie genießt die Spaziergänge mit ihm und da auch sie einen Freund (in Übersee) hat, akzeptiert sie die Schwärmerei für Lena. Sozusagen probieren die beiden die platonische Freundschaft zwischen Junge und Mädchen aus. Was irgendwie zu funktonieren scheint. In einer Disco wird auch Solene (Gewnaelle Simon), eine Freundin von Margot, auf den introvertierten Jungen aufmerksam. Gaspard, der von sich sagt, kein besonderes Glück bei Frauen zu haben, lässt sich auf einen Flirt mit Solene ein und verbringt einen wunderschönen Tag mit ihr. Doch dann taucht auch plötzlich Lena auf, die sich reichlich zickig benimmt...
Gaspard ist sehr emotional, doch in seinen Gefühlen noch reichlich labil - einmal so, dann wieder so. Man kann sich aber sehr gut in seine Gefühlswelt hineinversetzen, denn er ist ein Träumer. Die Szene auf dem Boot, in der ein Seemann mit seinem Akkordeon die Eigenkomposition von Gaspard musikalisch begleitet, während die anderen kräftig mitsingen, steht für die Kraft dieses Rohmer-Films - für die Vitalität, für die Liebe und für den schönen Moment, der leider nur kurz von Dauer ist. Die Kameraarbeit von Diana Baratier ist auf Augenhöhe mit der genialen Arbeit von Nestor Almendros in "Pauline am Strand" - perfekt eingefangene Urlaubsidylle, man bekommt sofort Lust sich ins Auto zu setzen und in Richtung Bretagne, ans Meer, aufzubrechen.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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