Regie: Ruben Östlund
Moralischer Zufluchtsort...
In seinem 2014 inszenierten Film "Höhere Gewalt" nahm der
schwedische Filmemacher Ruben Östlund (er schreibt auch die Drehbücher
selbst) das Rollenbild des Mannes gehörig auf die Schippe, nachdem ein
Familienvater bei einem Lawinenunglück im Moment der hereinprasselnden
Katastrophe nur an sein eigenes Überleben denkt und seine Frau und die
Kinder für kurze Zeit alleine ihrem Schicksal überlässt. Am Ende des
Films herrscht auch ein bisschen Ratlosigkeit wie es weitergeht:
Diejenigen Zuschauer, die den Film gesehen haben, können sich sicherlich
gut an die Szene mit dem Reisebus und der anschließenden Wanderung ins
Tal erinnern. Und auch in seinem neuen Film "The Square" macht der
Schwede es dem Zuschauer nicht leicht, denn auch hier suggeriert das
Schlußbild eine starke Irritation. Aber der Erfolg des satirischen
Movies kann sich sehen lassen. Genau wie der Vorgänger wurde auch "The
Square" für den Oscar und für den Golden Globe als bester
fremdsprachiger Film nominiert und vor allem bei der Vergabe des
europäischen Filmpreise kam es zum großen Triumph für den Autorenfilmer.
Sein Film siegte am Ende in fünd Kategorien: Bester Film, Beste
Komödie, Bester Darsteller Claes Bang, beste Regie und bestes Drehbuch
an Ruben Lstland.
"The Square" erweist sich mit einer recht ausufernden Laufzeit von
142 Minuten als opulent angelegtes Gesellschaftsepos mit vielen
satirischen Momenten. So kommt der Bildungsbürger und der
Kunstliebhaber, der sich in einem abgehobenen Museum aufhält oder darin
arbeitet, in seiner Geschichte nicht besonders gut weg.
Darüberhinaus widmet sich "The Square" auch den verschiedenen
sozialen Schichten sowie der Grenzen von Wohltätigkeit und Mitgefühl.
Seine Hauptfigur Christian (Claes Bang) hat die nötige Arroganz, die es
braucht, um als Kurator des X-Royal Kunstmuseums in Stockholm Eindruck
zu schinden. Man sieht ihn sehr selbstbewusst bei einem Interview, das
die Journalistin Anne (Elisabeth Moss) mit ihm führt. Wenig später wird
Christian in einen Streit in der Fußgängerzone verwickelt. Eine junge
Frau sucht augenscheinlich Schutz vor ihrem tobenden Freund und stellt
sich ängstlich hinter Christian und einen weiteren Passanten. Der
Konflikt löst sich Sekunden später auf, doch Christian vermisst sein
Smartphone, seinen Geldbeutel und seine Manschetten. Mit Hilfe seines
Mitarbeiters Michael (Christopher Laesso) kann er aber die Position des
Smartphones orten - irgendjemand aus einem großen Wohnblock in einer
nicht so ganz exklusiven Gegend muss somit der Dieb sein. Es entsteht
folgende Idee: Jeder der ca. 50 Mieter des Blockes könnte es sein, also
werden 50 Duplikate eines anonymen Briefes gemacht und jeder dieser
Bewohner erhält in seinem Briefkasten die Aufforderung zur Rückgabe des
Telefons und der Brieftasche. Auf wunderbare Weise funktioniert diese
Idee. Doch ein Brief kommt mit einer Drohung zurück "Enschuldige dich
bei mir, dass Du mich als Dieb bezeichnet hast, sonst mache ich bei Dir
Chaos"....als Schreiber des Briefes entpuppt sich ein kleiner Junge
(Elijandro Edouard) der nicht locker lässt, weil seine Großeltern, bei
denen er aufwächst, ihm alles verboten haben. Sie glauben er wäre ein
Dieb und der Junge versucht Christian zu zwingen die Sache aufzuklären.
Dieser denkt aber gar nicht daran, weil er ganz andere Sorgen hat. Ein
von ihm nicht genehmigter Youtube Clip zu dem neuen Museumsprojekt "The
Square" zeigt ein armes kleines Mädchen, dass inmitten dieses Squares in
die Luft gejagt wird. "The Square" sollte aber ein öffentlicher Platz
des Schutzes werden und wurde sichtbar für alle vor dem Museum
platziert. Dieses Kunstprojekt von Lola Arias steht symbolisch für ein
Heiligtum des Vertrauens und der Fürsorge. Jeder, der in diesem Viereck
Schutz sucht, soll diese erhalten - alle darin teilen die gleichen
Rechte und Pflichten. Natürlich sorgt der provokante Youtube Clip für
einen extremen Aufschrei in den Medien, die Leute erkennen nicht, dass
die Macher - zwei durchgedrehte Promotion-Jungs, gespielt von Daniel
Halberg und Martin Sööder - einfach nur das Projekt möglichst effektiv
bewerben wollten. Die Museumsleitung ist sich der harten Kritik
ausgesetzt, ebenso Christian, der dafür die Konsequenz tragen soll und
als Kurator zurücktreten wird. Und wenn es mal nicht so gut läuft im
Leben, dann gestalten sich auch die Beziehungen als schwierig. Anne, mit
der Christian Sex hatte, erhofft sich mehr von dem spontanen One Night
Stand nach einer weiteren Begegnung im Museum...
Im Laufe des Films macht der Zuschauer auch noch Bekanntschaft mit
Christians beiden kleinen Töchtern, die ihren Vater bei seinem ziellosen
Treiben ein Stück weit begleiten. Sie kommen mit zum Hochhaus und
suchen den Jungen, der eine Entschuldigung wollte. Vorher wird aber noch
der Künstler Gijoni, der von Dominic West gespielt wird, im Museum zu
seinen Werken befragt. Diese gestaltet sich störend, weil einer der
Anwesenden Zuhörer unter dem Tourette-Syndrom leidet. Noch schräger ist
die Szene mit einem gewissen Olg (Terry Notary), der vom Museum
engagiert wurde in einer verwegenen Kunstperformance vor einem
Galapublikum den wilden Primaten darzustellen. Die Performance läuft
dabei aus dem Ruder und Oleg ist nicht der einzige Affe, der im Film
mitspielt. Auch in Annes Wohnung ist einer, sie teilt ihr Appartment mit
einem Schimpansen.
Interessanterweise bleibt die Geschichte um Christians Belange bis
zum Schluß extrem interessant, dabei erweist sich diese Hauptperson
immer mal wieder als unbelehrbarer Trottel und eitler Fatzke. Ruben
Östlunds Humor ist sehr eigenwillig, aber auch immens unvorhersehbar,
dass es eine Freude ist dabei zuzuschauen.
Ob diese existenzielle Krise, die der Protagonist dabei durchmacht,
etwas heilsames hat, ist schwer vorauszusagen. Wahrscheinlich eher
nicht - er wird weiterhin die Unterschicht ablehnen, auch wenn er in
einer Szene des Films in der U-Bahn Unterführung seine Taschen für ein
paar Minuten anvertraut: Dem Bettler, dem er vorher keinen Almosen gab -
angeblich, weil er kein Bargeld mit sich führt.
Das im Film vorgestellte Kunstwerk "Spuare" existiert wirklich. Es
wurde im Vorfeld des Filmes von Ruben Östlund gemeinsam mit Kalle Boman
entwickelt und ist in der schwedischen Stadt Värnamo zu bewundern.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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