Montag, 28. Mai 2018

Syndecdoche, New York

























Regie: Charlie Kaufman

Phantasie und Wirklichkeit...

Bei den Filmkritikern steht Charlie Kaufmans 2008 entstandener "Synecdoche, New York" hoch im Kurs - als die Kulturredaktion der BBC eine Umfrage unter Filmkritikern, Wissenschaftlern und Kuratoren über die über die 100 größten Filme des 21. Jahrhunderts landete die seltsame Tragikomödie auf dem exzellenten 20. Rang und zog überaschenderweise fast gleich mit "Eternal Sunshine of a spotless mind" (Vergiß mein nicht), für den Kaufman 2005 den Drehbuchoscar erhielt.
Der Filmemacher sieht sich auch nicht als der Drehbuchautor, der nach seiner Arbeit einfach verschwindet - er möchte von Anfang bis zum Ende am Film beteiligt sein. Diese Einflussnahme wurde von den Regisseur Spike Jonze (Beeing John Malkovich, Adaptation) und Michel Gondry (Eternal Sunshine) auch akzeptiert, daher kam es immer wider zur Zusammenarbeit dieser drei kreativen Köpfe. "Synecdoche, New York" ist Kaufmans erste Regiearbeit und wenn man seine vorherigen Drehbücher und die realisierten Filme dazu kennt, dann kennt man auch Kaufmans Faible für den aussergewöhnlichen Stoff. Er lässt sehr gerne die Grenze von Realität und Traum verschwimmen, ohne dafür zu sehr ins Fantasy Genre einzutauchen. Seine Geschichten handeln daher von Menschen, die in verwirrende Geschichten involviert sind.
Zuschauer, die Auflösungen erwarten, sind aber in "Syncdoche, New York" fehl am Platz - diesen Ort oder Stadtteil in New York gibt es nicht, er ist rein fiktiv und leitet sich vom altgriechischen Begriff der Synekdoche (Mitverstehen) ab. Sie bezeichnet die Ersetzung eines Wortes durch einen Begriff aus demselben Begriffsfeld und der Name des fiktiven Ortes in der Millionenmetropole ist Programm des gesamten Films.
In der ersten Szene sehen wir bereits den tragischen Helden Caden Cotard (Philip Seymour Hoffmann), einen angesehenen Theaterregisseur, der vom Wecker wach gemacht wird, die Stimme des Radiomoderators ist zu hören "Guten Morgen, Leute in Synecdoche, es wird Zeit in die Puschen zu kommen"....doch sehr schnell wird sichtbar, dass Caden in einer Lebenskrise steckt: Mann, Anfang 40, depressiv, der sich ausschließlich über sein Metier definiert. Die Ehe mit der Künstlerin Adele (Catherine Keener) steckt in einer totalen Krise, dabei haben die beiden eine kleine süße Tochter (Sadie Goldstein). Vielleicht liegt es auch daran, dass seine Frau als Künstlerin immer anerkannter wird und sich durch ihre Miniaturbilder (die sind so klein, dass man eine Lupe braucht, um die Kunstwerke im Museum betrachten zu können) einen großen Namen machen könnte, ausserdem übt die Nachbarin (Jennifer Jason Leigh) einen beträchtlichen Einfluss auf die Familie. Caden und Adele gehen aber zur Eheberaterin, aber es hilft nichts - es macht es nur noch mit offenen ausgesprochenen Empfindungen, die dort angesprochen werden, nur noch schlimmer. Caden flüchtet sich in seine zahlreichen körperlichen Beschwerden, kann aber seine Frau nicht aufhalten für eine Weile allein nach Berlin zu ziehen. Töchterchen Olive nimmt sie natürlich mit. Alleine stürzt er weiter ab, bekommt aber dem Riesenerfolg seiner Produktion "Tod eines Handlungsreisenden" unerwartet ein MacArthur Stipendium, dass ihm finanziellen Raum gibt ein üppiges künstlerisches Projekt zu realisieren.
Er mietet eine leerstehende riesige Lagerhalle in Manhattan an, in der er New York als Kulissen nachbauen und die Personen seines Lebens und seines Umfeldes darin auftauchen lässt. Er stürzt sich dabei in Affären mit der Kartenverkäuferin Hazel (Samantha Morton) und der Schauspielerin Claire (Michelle Williams). Aus den Wochen der Trennung werden Jahre und irgendwann ist Adele in Berlin eine berühmte Künstlerin geworden, seine Tochter hat er nicht mehr gesehen, weil die Nachbarin, die inzwischen auch in Berlin lebt, das Wiedersehen erfolgreich verhindert.
Cadens Zeitliche Orientierung scheint auch miserabel zu sein, als ihm jemand sagt, dass die Trennung nun doch schon viele Jahre her ist und er dachte, dass er sich nur um Wochen handeln würde. Auch sein Projekt kann er nicht abschließen. Nie dringt er zum Kern des Stückes vor. Im Gegenteil: Der Mann vom Theater vergräbt sich immer tiefer in sein Magnus Opus und verwischt irgendwann gänzlich die Grenze zwischen Realität und Fantasie, indem er Besetzung und Crew mit einem jeweiligen Doppelgänger besetzt, die sich optisch gar nicht ähnlich sein müssen. Bei einem Casting erfährt er von einem gewissen Sammy Barnathan (Tom Noonan) dass dieser ihn seit 20 Jahren auf Schritt und Tritt zwanghaft verfolgt hat, ohne dass Caden davon etwas bemerkt hat. Dies ist natürlich die Idealbesetzung für seinen eigenen Doppelgänger. Am Ende wird das Lagerhaus zu einer Ruin bzw. Leichenhalle, tote Körper der Ensemblemitglieder und nur Caden, gealtert ala Benjamin Button... und die Mom (Deirdre O´Connell) von Ensemblemitglied Ellen Bascomb (Dianne Wiest), die er aus deren Erzählungen von Kindheitserinnerungen kennt....




Am Ende steht also irgendwo der Tod und der Zuschauer muss sich selbst einen Reim auf die Geschichte machen. Waren das jetzt die Phantasiebilder eines pychatrisch Kranken ? Ein Film, bei dem sich die Geister scheiden werden. Jedenfalls was der Sinn des Ganzen angeht. Allerdings gibt es eine Menge grotesker Szenen, die eine klasse Balance zwischen Komödie und Drama erkennen lassen. Die schauspielerleistung sind auch alle besonders gut. Für den Ausnahmeschauspieler Philip Seymour Hoffman natürlich eine Paraderolle, aber auch seine Mitspielerinnen Michelle Williams oder Catherine Keener sind hervorragend. Ansonsten könnte man das Theaterprojekt mit der neuen virtuellen Welt vergleichen, für viele Menschen nimmt diese neue Welt bereits einen beträchtlichen Teil im Leben ein. Jede Person aus der Realität bekommt einen Doppelgänger im Projekt und so entsteht bald eine total übersichtliche Anzahl an Doppelungen. Verschiedene Ebenen, die von Kaufman noch genüsslich verschachtelt werden, machen den Film für den ungeduldigen Zuschauer sicherlich zu einer extremen Herausforderungen. Dennoch überwiegt am Ende ein positiver Eindruck und viel Irritation.





Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

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