Regie: Michelangelo Antonioni
Neue Identität...
Michelango Antonionis "Blow up" ist zweifelsohne einer der besten
Filme der 60er Jahre und für mich auch der beste Film des italienischen
Filmregisseurs. Doch es lohnt sich auch ein Blick auf den etwas weniger
bekannten "Beruf: Reporter", der im Jahr 1975 entstand und ähnlich wie
"Blow up" eigentlich die Geschichte eines Thrillers erzählen könnte,
aber Antonioni setzt erneut ganz andere Schwerpunkte und macht daraus
die tragische Geschichte eines Mannes, der völlig spontan und ohne groß
nachzudenken die Identität eines anderen Mannes animmt, als ihm der
Zufall oder das Schicksal, die Möglichkeit dazu gibt.
Antonioni konnte für seinen Film mit Jack Nicholson einen echten
Star gewinnen, der bereits durch die Erfolge von "Easy Rider", "Five
Easy Pieces", "Das letzte Kommando" und vor allem "Chinatown" zur 1.
Liga der Topschauspieler aufsteigen konnte. Im gleichen Jahr wie "Beruf:
Reporter" drehte er auch seinen ersten Oscarfilm "Einer flog übers
Kuckucksnest" ab.
Seine Filmpartnerin war Maria Schneider, die kurz zuvor durch
Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris" zum Weltstar aufstieg und nach
der Rolle des geheimnisvollen Mädchens, die Jack Nicholson auf dem Weg
in seinen Tod begleitet, durch diverse Alkohol- und Drogenexzesse von
der Bildfläche verschwand. Maria Schneider verstarb 2011 an einer
Krebserkrankung. In einem früheren Interview gab sie an, dass sie diese
Rolle in "Beruf: Reporter" m meisten schätzte. Auch wenn sie in der
Folgezeit immer wieder in Filmen engagiert wurde, konnte sie nie mehr an
diesen frühen Ruhm der 70er Jahre anknüpfen.
Berühmt ist der Film vor allem durch die 7-minütige Schlußszene und
wer sie nicht kennt: Einfach genießen - ich finde, es ist eine der
besten Filmsequenzen aller Zeiten und schon alleine diese Szene ist es,
die den Film zu einem Meisterwerk macht.
Man muss sich auf aber den langsamen Erzählrhythmus von Antonioni
einstellen - der Regisseur setzt weniger auf Spannung, sondern
konfrontiert den Zuschauer mit einer Atmosphäre, die ständig auf einen
doppelten Boden hindeutet.
Es geht um den Reporter David Locke (Jack Nicholson), der in der
Wüste des Tschad eine Dokumentation über Rebellen macht. Man merkt, dass
der Mann, der in seinem Beruf sehr geachtet wird und auch über eine
gewisse Bekannheit verfügt, irgendwie ausgebrannt und leer erscheint. Im
gleichen Hotel wie er ist auch ein gewisser David Robertson (Charles
Mulvehill) abgestiegen. Die beiden Männer lernen sich kennen, trinken
etwas zusammen und unterhalten sich über Gott und die Welt. Von
Robertson weiß Locke lediglich, dass er im Tschad Geschäfte macht. Und
die beiden Männer haben auch optisch eine gewisse Ähnlichkeit. Am
anderen Tag entdeckt Locke seinen neuen Bekannten tot in seinem Zimmer -
vermutlich Herzinfarkt. Statt das Personal zu verständigen, macht er
sich sofort daran seinen und Robertsons Pass zu fälschen, indem die
Passbilder getauscht werden. Erst als er Robertsons Leiche in sein
Zimmer geschleppt, dort aufs Bett gelegt hat geht er zur Rezeption und
meldet dort, dass der Journalist Locke tot im Bett liegt. Mit neuer
Identität ausgestattet, kehrt er nach London zurück und holt nur noch
einige persönliche Dinge aus seiner Wohnung - dann nimmt er die Termine
aus dem Kalender von Robertson wahr. Diese führen ihn nach München und
findet bald heraus, dass Robertson ein Waffenhändler war. Er trifft sich
mit Rebellen und lernt im nächsten Reiseziel Barcelona ein junges
Mädchen (Maria Schneider) kennen. Er meint sich daran erinnern zu
können, dass er sie schon in München oder London gesehen hat. Inzwischen
ist auch Lockes "Witwe" Rachel (Jenny Runrace) nicht untätig, denn sie
will näheres über die Begleitumstände des Todes ihres Mannes
herausfinden und da sie weiß, dass Robertson der letzte Mensch war, mit
dem David Kontakt hatte, macht sie sich auf die Suche nach dem
Waffenhändler.
Das Mädchen wird seine Geliebte und Reisebegleiterin - als er
merkt, dass er mit dem Identitätstausch überfordert ist, will er sich in
Tanger absetzen. Die geheimnisvolle Begleiterin kann ihn aber
überzeugen, dass er die falsche Identität aufrechterhalten soll. Im
südspanischen Kaff Osuno checken die beiden im Hotel de la Gloria ein.
Dort erfüllt sich das Schicksal...
Was David nicht weiß, dass ahnt der Zuschauer im Verlauf der
Geschichte. Denn er wird beobachtet und die Rolle des Mädchens ist auch
sehr undurchsichtig. Am Ende wird der Zuschauer aber sich selbst einen
Reim auf die Ereignisse machen müssen, er sieht aus dem Fenster des
Hotelzimmers, in dem David schläft, was draussen vor sich geht.
Grandiose Szene wie gesagt - die US-Kritik hatte natürlich Mühe mi dem
Film, weil er die Schlußfolgerungen dem Zuschauer überlässt und nur
gewisse Anhaltspunkte liefert, die man zusammensetzen kann. Dann wird
das Bild etwas klarer, aber nicht perfekt. "Blow up" lässt einmal mehr
grüßen und Antonioni hatte natürlich Recht: Der europäische Filmfan
kommt mit einem offenen Ende viel besser zurecht als der Ami, der alles
erklärt haben will.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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