Regie: James Ivory
Die Sehnsucht des Maurice Hall...
Vorhang auf in die Zeit um 1900: Während einer Reise an einem
windigen Strand werden dem 11jährigen, vaterlosen Schüler Maurice Hall von
seinem Lehrer (Simon Callow) Aufklärungshinweise gegeben, es geht um die nahende
Pubertät und um die Geheimnisse beider Geschlechter. Jahre später, im Jahr 1909,
besucht Maurice (James Wilby) die Universität in Cambridge, wo er mit zwei
Kommilitonen Freundschaft schließt, mit dem adligen Risley (Mark Tandy) und dem
reichen und attraktiven Clive Durham (Hugh Grant). Dieser verliebt sich in
Maurice, doch dessen Geständnis empfindet Maurice zuerst nur absurd und
irritierend. Doch er bemerkt bald, dass er ähnliche Gefühle hegt. Sie beginnen
eine heimliche Affäre, die allerdings auf Clives Beharren - abgesehen von
körperlicher Nähe und harmlosen Küssen - rein platonisch bleiben wird. Immer ist
die Angst vor Aufdeckung und die damit verbundene Kriminalisierung und
gesellschaftliche Ächtung allgegenwärtig. Als Risley wegen versuchtem Sex mit
einem Soldaten verurteilt wird, bricht Clive langsam aber sicher die
verhängnisvolle Affäre mit Maurice. Dieser beginnt eine neue Karriere als
Börsenmakler und muss zusehen, wie sein Freund unter dem Druck der verwitweten
Mutter die reiche Anne (Phoebe Nicholls) heiratet. In der Folgezeit sucht
Maurice Wege der Heilung vom sündhafen und frevelhaften Begehren und konsultiert
den Hausarzt Dr. Barry (Denholm Elliot) und den Hypnotiseur Lakser Jones (Ben
Kingsley). Ein Leben in Unterdrückung der eigenen Sehnsüchte steht ihm bevor,
auch wenn er immer wieder in Clives Anwesen Pendersleigh gern gesehener Gast
wird. Dadurch lernt er auch den Wildhüter Alec Scudder (Rupert Graves) kennen,
den er zunächst nicht beachtet. Doch durch den Mut Scudders kommt es zu einer
heimlichen Liebesnacht...
Anfang des 20. Jahrhunderts war es keine gute Zeit um homosexuell zu
sein. Der gleichnamige Roman von E.M. Foster enstand zwar 1913/1914, wurde
allerdings erst im Jahr 1971 posthum veröffentlicht und wurde wie bereits vorher
"A Room with a view" und "Wiedersehen in Howards End" von James Ivory gedreht
und von Ismael Merchant produziert. Und alle drei Arbeiten sind perfekt in ihrer
Machart, sie sind sowohl inhaltlich als auch optisch sehr stark in Szene
gesetzt. Wie immer herrscht eine große Liebe zum Detail vor. Vielleicht ist
sogar "Maurice" aufgrund seines Themas der beste der drei Filme, da sein Thema
auch heute noch gesellschaftlich diskutiert wird und auch heute noch ein Coming
out als schwierige Hürde betrachtet werden kann. Die feindliche Sexualmoral hat
sich imemrhin weitestgehend gelöst, aber ein "Maurice" ist heute noch gut
denkbar, ebenso ein "Clive" - dagegen ist aber eine Lucy Honeychurch "Zimmer
mit Aussicht" oder ein Henry Wilcox "Howards End" Vergangenheit, die man aus
heutiger Sicht ungläubig betrachten kann. James Ivory erweist sich aber stets
als "europäischer Regisseur", auch wenn er aus Oregon stammt. Trotz allem ist
"Maurice" eine Geschichte seiner Zeit, vor allem wenn man über die
Klassenunterschiede im viktorianischen England bzw. in nachfolgenden Zeitalter
Edwards nachdenkt. Daher ist die erste Nacht mit dem ungehobelten Wildhüter
sowohl ein Befreiungsschlag in Richtung eigener sexuellen Identität als auch ein
Aufllösen der Klassengrenzen, da der als sozial minderwertig erachtete Liebhaber
sich auf Augenhöhe erhebt. Man mag das Ende rein oberflächlich als HappyEnd für
eine verbotene Liebe ansehen, aber "Maurice" wäre ja auch kein Meisterwerk, wenn
es nicht einen Widerhaken setzen würde. Denn er entlässt die beiden Männer, die
sich lieben, in eine ungewisse Zukunft. Sie haben sich zwar für die Freundschaft
entschieden, aber es dürfte kein Zweifel geben, dass auch diese Liason in einer
Zeit des ersten Weltkrieges arge Probleme bekommen wird. Wird sie an der
Heimlichkeit scheitern oder nicht ? Aber immerhin gönnt der Autor Forster seinem
Paar das Glück eines Augenblicks.
Die
Besetzung ist hervorragend und bis in die kleinsten Nebenrollen (Denholm Elliot,
Simon Callow) perfekt besetzt.
Bewertung: 10 von 10 Punkte.
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