Freitag, 19. Juni 2015

Das Wunder von Bern




















Regie: Sönke Wortmann

Am 4. Juli 1954....

"Jetzt sind wir wieder wer", sprach Nationalmannschaftskapitän Fritz Walter und fasste damit die immense Bedeutung dieses Erfolges zusammen, die weit über das rein Sportliche hinaus ging. Für eine sich mühsam und eingeschüchtert aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs befreiende Nation war dieser kaum für möglich gehaltene Sieg gegen die angeblich unschlagbaren Ungarn das erste kollektive Hochgefühl, das Zeichen dafür, dass es ab jetzt wieder aufwärts ging.
"Das Wunder von Bern" ist mit über 3 Millionen Kinobesucher bislang Sönke Wortmanns zweiterfolgreichster Film nach "Der bewegte Mann", den sogar 6,5 Millionen Deutsche sehen wollten.
Wortmann ist mit der Geschichte von Deutschland unerwartetem Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft in Bern das Kunststück gelungen aus einer speziellen deutschen Thematik ein Epos mit internationalem Spielberg-Touch zu zimmern. Die ganze Machart erinnert daher an den Stoff, aus dem die Academy Awards sind.
Dabei hat dieses unvergessene Endspiel im Berner Wankdorfstadion am 4. Juli 1954 mit dem Sieg durch das entscheidende Tor von Helmut Rahn wie kein anderes Ereignis eine legendäre Symbolkraft entwickelt.  Spontan löste in Deutschland dieser Titelgewinn einen riesigen Freudentaumel aus. Neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg schien der Erfolg ein ganzes Volks aus dem Entbehrungen und Depressionen der Nachkriegszeit zu reißen. Das Ereignis markiert irgendwie den Anfang des deutschen Wirtschaftwunders und wird gelegentlich als die spirituelle Geburtsstunde der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland angesehen. Rainer Werner Fassbinder hat in seinem Meisterwerk "Die Ehe der Maria Braun" die emotionale Radioübertragung ebenfalls als zweite Spur sehr kritisch dem Schicksal der Titelheldin entgegengestellt. Wortmann ist da weniger an einer kritischen Bestandsaufnahme interessiert, er ist eher der opulente und emotionale Chronist und gerade in den Schlußszenen - einmal schießt der kleine Junge stellvertretend für eine neue Generation im Stadion den Ball zu seinem Freund Rahn, dem dann das Wunder von Bern gelingt und zum zweiten in der letzten Einstellung als der Zug mit der Aufschrift "Fuball Weltmeister 1954" durch ein ländlich geprägtes Deutschland fährt. Darin fahren die Spieler, die Ruhm mit nach Hause bringen, aber auch eine neue Einstellung in den Köpfen, die sich etablieren wird, nur ahnt zu diesem Zeitpunkt als die Bauern auf dem Feld den Zug mit dem Helden bestaunen noch keiner was von dieser Erlösung.
Ein großes Lob gebührt dem Kameramann Tom Fährmann, der für die Zuschauer in sehr atmosphärisch wirkenden Einstellungen das Leben im Ruhrgebiet kurz nach dem Krieg lebendig werden lässt. Dort lebt der kleine fußballbegeisterte Mattes (Louis Klammroth) mit seiner Mutter Christa (Johanna Gastorf) und dem beiden älteren Geschwistern Bruno (Mirko Lang) und Ingrid (Birte Wolter). Die Frau betreibt eine Kneipe und hat so die Kinder ohne ihren Mann großgezogen, der nun schon 12 Jahre in russischer Gefangenschaft sitzt. Mattes schwärmt für RotWeiß Essen, für seine beiden Kaninchen und für den angehenden Nationaspieler Helmut Rahn (Sascha Göpel), bei dem er Balljunge sein darf. Die zwar arme, aber eher unbeschwerte Zeit ist kurz vor Beginn der WM vorbei, denn Vater Richard (Peter Lohmeyer), ein ehemaliger Bergarbeiter, kehrt endlich heim. Doch die Integration verläuft schwierig. Er benimmt sich wie ein Fremder und wird dadurch der Familie auch immer mehr zur eigentlichen Last, gerade weil er "alte Verhältnisse und Ordnungen" wieder herstellen möchte und ihm dies in keinster Weise gelingt. Der ältere Bruno liebäugelt mit der KPD und will Rockstar werden, Tochter Ingrid flirtet mit den englischen Soldaten. Und den kleinen Mattes kennt er nicht mal, da der 9 Monate nach seinem letzten Fronturlaub geboren wurde.
Als zweiter Handlungstrang läuft das eigentliche Wunder von Bern ab. Denn Sepp Herberger (Peter Franke) und sein Kapitän Fritz Walter (Knut Hartwick) brechen mit dem deutschen WM-Kader in die Schweiz auf. Mit dabei auch der Essener Helmut Rahn, der immer dann die Spiele gewinnt, wenn der kleine Mattes im Stadion anwesend ist. Aber der kann das Geschehen in der Schweiz nur mit dem Radio oder an einem der noch seltenen Fernseher verfolgen und hat momentan wegen dem gemeinen Vater ganz andere Sorgen...



 Gelegentlich ist der Film ein bisschen zu sentimental, aber alles in allem ist Wortmann eine packende Geschichte aus der noch jungen Historie der Bundesrepublik gelungen. Peter Lohmeyer spielt den Vater, der plötzlich zuhause wie ein Fremder agiert, sehr gut und natürlich gewährt ihm Wortmann das für den Film notwendige Happyend. Er kriegt den Bogen wieder in letzter Sekunde - man kann sich aber denken, dass nicht jeder dieser positiven Wendung fähig war. Zum Lohn für den opulenten Familienfilm gabs dreimal den deutschen Filmpreis. Einmal in Silber, zweimal in Gold als Publikumspreis für den besten Kinofilm des Jahres und an Lohmeyer als beliebtester Darsteller.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

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