Regie: Sönke Wortmann
Am 4. Juli 1954....
"Jetzt sind wir wieder wer", sprach Nationalmannschaftskapitän
Fritz Walter und fasste damit die immense Bedeutung dieses Erfolges
zusammen, die weit über das rein Sportliche hinaus ging. Für eine sich
mühsam und eingeschüchtert aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs
befreiende Nation war dieser kaum für möglich gehaltene Sieg gegen die
angeblich unschlagbaren Ungarn das erste kollektive Hochgefühl, das
Zeichen dafür, dass es ab jetzt wieder aufwärts ging.
"Das
Wunder von Bern" ist mit über 3 Millionen Kinobesucher bislang Sönke
Wortmanns zweiterfolgreichster Film nach "Der bewegte Mann", den sogar
6,5 Millionen Deutsche sehen wollten.
Wortmann ist mit der
Geschichte von Deutschland unerwartetem Sieg bei der
Fußballweltmeisterschaft in Bern das Kunststück gelungen aus einer
speziellen deutschen Thematik ein Epos mit internationalem
Spielberg-Touch zu zimmern. Die ganze Machart erinnert daher an den
Stoff, aus dem die Academy Awards sind.
Dabei hat dieses
unvergessene Endspiel im Berner Wankdorfstadion am 4. Juli 1954 mit dem
Sieg durch das entscheidende Tor von Helmut Rahn wie kein anderes
Ereignis eine legendäre Symbolkraft entwickelt. Spontan löste in
Deutschland dieser Titelgewinn einen riesigen Freudentaumel aus. Neun
Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg schien der Erfolg ein ganzes Volks aus
dem Entbehrungen und Depressionen der Nachkriegszeit zu reißen. Das
Ereignis markiert irgendwie den Anfang des deutschen Wirtschaftwunders
und wird gelegentlich als die spirituelle Geburtsstunde der damals noch
jungen Bundesrepublik Deutschland angesehen. Rainer Werner Fassbinder
hat in seinem Meisterwerk "Die Ehe der Maria Braun" die emotionale
Radioübertragung ebenfalls als zweite Spur sehr kritisch dem Schicksal
der Titelheldin entgegengestellt. Wortmann ist da weniger an einer
kritischen Bestandsaufnahme interessiert, er ist eher der opulente und
emotionale Chronist und gerade in den Schlußszenen - einmal schießt der
kleine Junge stellvertretend für eine neue Generation im Stadion den
Ball zu seinem Freund Rahn, dem dann das Wunder von Bern gelingt und zum
zweiten in der letzten Einstellung als der Zug mit der Aufschrift
"Fuball Weltmeister 1954" durch ein ländlich geprägtes Deutschland
fährt. Darin fahren die Spieler, die Ruhm mit nach Hause bringen, aber
auch eine neue Einstellung in den Köpfen, die sich etablieren wird, nur
ahnt zu diesem Zeitpunkt als die Bauern auf dem Feld den Zug mit dem
Helden bestaunen noch keiner was von dieser Erlösung.
Ein
großes Lob gebührt dem Kameramann Tom Fährmann, der für die Zuschauer in
sehr atmosphärisch wirkenden Einstellungen das Leben im Ruhrgebiet kurz
nach dem Krieg lebendig werden lässt. Dort lebt der kleine
fußballbegeisterte Mattes (Louis Klammroth) mit seiner Mutter Christa
(Johanna Gastorf) und dem beiden älteren Geschwistern Bruno (Mirko Lang)
und Ingrid (Birte Wolter). Die Frau betreibt eine Kneipe und hat so die
Kinder ohne ihren Mann großgezogen, der nun schon 12 Jahre in
russischer Gefangenschaft sitzt. Mattes schwärmt für RotWeiß Essen, für
seine beiden Kaninchen und für den angehenden Nationaspieler Helmut Rahn
(Sascha Göpel), bei dem er Balljunge sein darf. Die zwar arme, aber
eher unbeschwerte Zeit ist kurz vor Beginn der WM vorbei, denn Vater
Richard (Peter Lohmeyer), ein ehemaliger Bergarbeiter, kehrt endlich
heim. Doch die Integration verläuft schwierig. Er benimmt sich wie ein
Fremder und wird dadurch der Familie auch immer mehr zur eigentlichen
Last, gerade weil er "alte Verhältnisse und Ordnungen" wieder herstellen
möchte und ihm dies in keinster Weise gelingt. Der ältere Bruno
liebäugelt mit der KPD und will Rockstar werden, Tochter Ingrid flirtet
mit den englischen Soldaten. Und den kleinen Mattes kennt er nicht mal,
da der 9 Monate nach seinem letzten Fronturlaub geboren wurde.
Als
zweiter Handlungstrang läuft das eigentliche Wunder von Bern ab. Denn
Sepp Herberger (Peter Franke) und sein Kapitän Fritz Walter (Knut
Hartwick) brechen mit dem deutschen WM-Kader in die Schweiz auf. Mit
dabei auch der Essener Helmut Rahn, der immer dann die Spiele gewinnt,
wenn der kleine Mattes im Stadion anwesend ist. Aber der kann das
Geschehen in der Schweiz nur mit dem Radio oder an einem der noch
seltenen Fernseher verfolgen und hat momentan wegen dem gemeinen Vater
ganz andere Sorgen...
Gelegentlich ist der Film ein bisschen
zu sentimental, aber alles in allem ist Wortmann eine packende
Geschichte aus der noch jungen Historie der Bundesrepublik gelungen.
Peter Lohmeyer spielt den Vater, der plötzlich zuhause wie ein Fremder
agiert, sehr gut und natürlich gewährt ihm Wortmann das für den Film
notwendige Happyend. Er kriegt den Bogen wieder in letzter Sekunde - man
kann sich aber denken, dass nicht jeder dieser positiven Wendung fähig
war. Zum Lohn für den opulenten Familienfilm gabs dreimal den deutschen
Filmpreis. Einmal in Silber, zweimal in Gold als Publikumspreis für den
besten Kinofilm des Jahres und an Lohmeyer als beliebtester Darsteller.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen