Freitag, 19. Juni 2015

Die Ehe der Maria Braun

























Regie: Rainer Werner Fassbinder

Die tragische Geschichte vom Wirtschaftswunder....

BRD 1978: Der neue deutsche Film war auf seinem Höhepunkt angelangt. Denn er hatte sich nun durch Filme wie "Nosferatu" (Werner Herzog), "Ehe der Maria Braun (Rainer Werner Fassbinder) oder "Die Blechtrommel" (Volker Schlöndorff) erfolgreich in der Kinolandschaft etabliert und den Machern gelang neben den Kritikerzuspruch auch noch der große Publikumserfolg.
Einer der großartigsten Filme dieser Zeit ist sicherlich Rainer Werner Fassbinders galliger Wirtschaftswunderfilm, ich denke es nicht verwegen zu sagen, dass er mit "Die Ehe der Maria Braun" vielleicht DEN deutschen Film über die Nachkriegszeit geschaffen hat. Der grandios fotografierte Film (Michael Ballhaus) zeichnet das Portrait einer Frau, die vom Schicksal in die Selbständigkeit gezwungen wird. Maria Braun ist auch Hanna Schygullas beste Darstellung, denn der Leidensweg dieser Frau ist nicht nur private Geschichtsschreibung sondern gleichzeitig auch Spiegelbild deutscher Nachkriegsgeschichte, die Fassbinder immer wieder aufleben lässt in Form eines Soundtracks alter deutscher Schlager dieser Zeit, die eine sehnsuchtsvolle Stimmung beschwören bis hin zum Ende des Films. Dort fliegt am 4. Juli 1954 ein Haus in die Luft, weil der Gashahn des Herdes nicht abgedreht war - gleichzeitig wird an diesem Tag die deutsche Fußballnationalmannschaft im Berner Stadion Wankdorf Weltmeister und aus dem Radio hören wir Herbert Zimmermanns emotionale Radioreportage über das Wunder. Ein großer Film über Glücksvorstellungen und Wertebegriffe. Die eigentliche Tragödie ist der bittere Zustandsbericht über das Wirtschaftswunder. Am Ende steht nämlich die Vereinsamung. Vielelicht weil man nach der Stunde Null und einem neuen Anfang alles in Richtung Kommerz gelenkt hat. Jeder achtet auf seinen Vorteil, so die Maxime des Films, und hier wird die gesellschaftliche Tragik sichtbar. Die Nazizeit mündete in den Kapitalismus. Es geht alles um den finanziellen Erfolg, man verkauft. Mit Maria Braun wird eine deutsche Symbolfigur gezeigt. Während des zweiten Weltkriegs fallen rund um das Standesamt die Bomben. Die Ehe der Maria Braun (Hanna Schygulla) dauert zuerst mal nur einen halben Tag und eine Nacht, dann muss Soldat Hermann Braun (Klaus Löwitsch) an die Ostfront. Sie hört nichts mehr von ihrem Mann. Nach dem Krieg kämpft sie ums Überleben, sie arbeitet in einer amerikanischen Bar und wohnt bei ihrer Mutter (Gisela Uhlen). Gemeinsam mit ihrer Schwester Betty Glenze (Elisabeth Trissenaar) steht sie oft am Bahnsteig, wo die Züge mit den Kriegsheimkehrern anhalten. Betty kann nach einer gewissen Zeit ihren Mann Willie (Gottfried John) wieder in die Arme schließen. Dieser berichtet Maria vom Tod ihres Mannes. Sie beginnt ein Verhältnis mit dem dunkelhäutigen Soldaten Bill (George Byrd). In der Schlüsselszene des Films wird Maria ihren Lover im Schlafzimmer erschlagen, nachdem die beiden vom Kriegsheimkehrer Hermann, der wider Erwarten in der Kriegsgefangenschaft überlebt hat, beobachtet wurde. Hermann nimmt die Schuld auf sich und wandert ins Gefängnis. In der Zwischenzeit wird Maria Braun die Geliebte des Industriellen Oswald (Ivan Desny) und macht in dessen Betrieb die große karriere...


 "Die Ehe der Maria Braun" wirkt wie eine Mixtur von zwei Bilanzen: Zum einen die der noch jungen Bundesrepublik Deutschland und der ganz privaten Bilanz der Heldin, die es versteht Verstand und Gefühl als zwei Seiten ihrer Persönlichkeit zu trennen. Sie lebt für einen Traum, für ein Ziel - dieses bleibt aber irgendwo abstrakt. Real sind aber die Mittel zum Zweck, sie geht Beziehungen ein, weil sie Vorteile versprechen. Am Ende steht Erfolg und Ansehen, vor allem auch Geld. Aber der Traum von der Liebe erfüllt sich nicht. Für ihr Handeln zahlt sie einen hohen Preis. Sie wirkt unglücklich. Eine Geschichte vom Fall, vom Aufstieg und vom Fall. Ober dieser Fall am Ende nun ein Unglück ist oder gar durch Absicht herbeigeführt, wird ungeklärt bleiben.
Das 1978 entstandene Meisterwerk bildet den Auftakt zu Fassbinders sogenannter BRD-Trilogie, die ihre Fortsetzung in den Filmen "Lola" und "Die Sehnsucht der Veronika Voss" fand. Alle drei Filme fungieren als Bestandsaufnahmen der deutschen Nachkriegszeit mit der Besonderheit, dass sie aus einer spezifisch weiblichen Sicht erzählen.
Für mich ist dies Fassbinders bester Film.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen