Regie: Rainer Werner Fassbinder
Die tragische Geschichte vom Wirtschaftswunder....
BRD 1978: Der neue deutsche Film war auf seinem Höhepunkt
angelangt. Denn er hatte sich nun durch Filme wie "Nosferatu" (Werner
Herzog), "Ehe der Maria Braun (Rainer Werner Fassbinder) oder "Die
Blechtrommel" (Volker Schlöndorff) erfolgreich in der Kinolandschaft
etabliert und den Machern gelang neben den Kritikerzuspruch auch noch
der große Publikumserfolg.
Einer der großartigsten Filme
dieser Zeit ist sicherlich Rainer Werner Fassbinders galliger
Wirtschaftswunderfilm, ich denke es nicht verwegen zu sagen, dass er mit
"Die Ehe der Maria Braun" vielleicht DEN deutschen Film über die
Nachkriegszeit geschaffen hat. Der grandios fotografierte Film (Michael
Ballhaus) zeichnet das Portrait einer Frau, die vom Schicksal in die
Selbständigkeit gezwungen wird. Maria Braun ist auch Hanna Schygullas
beste Darstellung, denn der Leidensweg dieser Frau ist nicht nur private
Geschichtsschreibung sondern gleichzeitig auch Spiegelbild deutscher
Nachkriegsgeschichte, die Fassbinder immer wieder aufleben lässt in Form
eines Soundtracks alter deutscher Schlager dieser Zeit, die eine
sehnsuchtsvolle Stimmung beschwören bis hin zum Ende des Films. Dort
fliegt am 4. Juli 1954 ein Haus in die Luft, weil der Gashahn des Herdes
nicht abgedreht war - gleichzeitig wird an diesem Tag die deutsche
Fußballnationalmannschaft im Berner Stadion Wankdorf Weltmeister und aus
dem Radio hören wir Herbert Zimmermanns emotionale Radioreportage über
das Wunder. Ein großer Film über Glücksvorstellungen und Wertebegriffe.
Die eigentliche Tragödie ist der bittere Zustandsbericht über das
Wirtschaftswunder. Am Ende steht nämlich die Vereinsamung. Vielelicht
weil man nach der Stunde Null und einem neuen Anfang alles in Richtung
Kommerz gelenkt hat. Jeder achtet auf seinen Vorteil, so die Maxime des
Films, und hier wird die gesellschaftliche Tragik sichtbar. Die Nazizeit
mündete in den Kapitalismus. Es geht alles um den finanziellen Erfolg,
man verkauft. Mit Maria Braun wird eine deutsche Symbolfigur gezeigt.
Während des zweiten Weltkriegs fallen rund um das Standesamt die Bomben.
Die Ehe der Maria Braun (Hanna Schygulla) dauert zuerst mal nur einen
halben Tag und eine Nacht, dann muss Soldat Hermann Braun (Klaus
Löwitsch) an die Ostfront. Sie hört nichts mehr von ihrem Mann. Nach dem
Krieg kämpft sie ums Überleben, sie arbeitet in einer amerikanischen
Bar und wohnt bei ihrer Mutter (Gisela Uhlen). Gemeinsam mit ihrer
Schwester Betty Glenze (Elisabeth Trissenaar) steht sie oft am
Bahnsteig, wo die Züge mit den Kriegsheimkehrern anhalten. Betty kann
nach einer gewissen Zeit ihren Mann Willie (Gottfried John) wieder in
die Arme schließen. Dieser berichtet Maria vom Tod ihres Mannes. Sie
beginnt ein Verhältnis mit dem dunkelhäutigen Soldaten Bill (George
Byrd). In der Schlüsselszene des Films wird Maria ihren Lover im
Schlafzimmer erschlagen, nachdem die beiden vom Kriegsheimkehrer
Hermann, der wider Erwarten in der Kriegsgefangenschaft überlebt hat,
beobachtet wurde. Hermann nimmt die Schuld auf sich und wandert ins
Gefängnis. In der Zwischenzeit wird Maria Braun die Geliebte des
Industriellen Oswald (Ivan Desny) und macht in dessen Betrieb die große
karriere...
"Die Ehe der Maria Braun" wirkt wie eine Mixtur
von zwei Bilanzen: Zum einen die der noch jungen Bundesrepublik
Deutschland und der ganz privaten Bilanz der Heldin, die es versteht
Verstand und Gefühl als zwei Seiten ihrer Persönlichkeit zu trennen. Sie
lebt für einen Traum, für ein Ziel - dieses bleibt aber irgendwo
abstrakt. Real sind aber die Mittel zum Zweck, sie geht Beziehungen ein,
weil sie Vorteile versprechen. Am Ende steht Erfolg und Ansehen, vor
allem auch Geld. Aber der Traum von der Liebe erfüllt sich nicht. Für
ihr Handeln zahlt sie einen hohen Preis. Sie wirkt unglücklich. Eine
Geschichte vom Fall, vom Aufstieg und vom Fall. Ober dieser Fall am Ende
nun ein Unglück ist oder gar durch Absicht herbeigeführt, wird
ungeklärt bleiben.
Das 1978 entstandene Meisterwerk bildet den
Auftakt zu Fassbinders sogenannter BRD-Trilogie, die ihre Fortsetzung
in den Filmen "Lola" und "Die Sehnsucht der Veronika Voss" fand. Alle
drei Filme fungieren als Bestandsaufnahmen der deutschen Nachkriegszeit
mit der Besonderheit, dass sie aus einer spezifisch weiblichen Sicht
erzählen.
Für mich ist dies Fassbinders bester Film.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen