Regie: Ruben Östlund
Mit der Wucht einer Lawine...
"Höhere Gewalt" von Ruben Östlund ist ein interessanter Winterfilm. Die Geschichte ist in Kapitel unterteilt, die jeweils einen Urlaubstag des bislang sehr glücklichen Ehepaars Ebba (Lisa Loven Kongsli) und Tomas (Johannes Kuhnke) zeigt. Die beiden sind mit ihren Kindern Vera (Clara Wettergren) und Harry (Vincent Wettergren) zum Skifahren in einem luxuriösen Hotel in den französischen Alpen. In der ersten Zeit läuft alles sehr idyllisch und familiär ab. Austehen, Zähne putzen, Ski fahren, am Abend nette andere Hotelgäste treffen, gemeinsam essen und plaudern und dann müde ins Bett fallen. Mit der verheirateten Charlotte (Karin Myrenberg) freundet sich das Ehepaar etwas an. Ebba kann aber nicht verstehen, dass sich diese Frau im Hotel Liebhaber sucht, obwohl sie - wie sie sagt - glücklich verheiratet ist.
Manchmal - bis tief in die Nacht hinein - ist ein lauter Knall im Bergdorf zu hören. Gefolgt von einem Grummeln, das zwischen den hoch aufragenden Felsmassiven nachhallt. Schallkanonen sind im Einsatz. Sie sollen die Lawinengefahr testen und von Zeit zu Zeit auch kontrolliert die Schneemassen ins Rutschen bringen.
Beim Mittagessen auf der Terrasse des Hotels kommt es aber zu einem folgenschweren Ereignis. Die Aussicht scheint grandios und die Vier können auf die nahen, schneebedeckten Berghänge staunend den Abgang einer solchen Staublawine mitverfolgen. Jedoch kommen die Schneemassen schnell näher und aus Staunen wird Panik, als die Lawine schließlich über die Terrasse hereinbricht. In diesem Augenblick rennt Tomas weg vom Tisch und lässt seine Familie im Stich. Zumindest empfindet es Ebba so, die ihre Kinder in diesem Moment festhält.
Kurz darauf wird klar: Entwarnung und
nochmals Glück gehabt – die so bedrohlich wirkende Lawine ist kurz vor
dem Restaurant zum Erliegen gekommen. Dafür hängt nun aber immer mehr
der Haussegen schief, die Stimmung ist im Eimer. Bei Ebba, bei Tomas,
bei den Kindern. Die Situation muss aufgearbeitet werden. Aber wie ?
In
Ruben Östlands ungewöhnlichem Film stecken sehr viele Fragestellunge,
Debatten, Perspektiven und Streitfragen. Dies wird auch noch sichtbarer
als nach ein paar Tagen mit Mats (Kristofer Hivju) und Fanni (Fanni
Metelius) ein befreundetes Paar aufkreuzt. Der Film stellt moralische
Fragen und beleuchtet trefflich die Geschlechterrollen. Welche Rolle
spielt ein Urinstinkt wie der Überlebenstrieb. Ein bisschen wirkt
"Höhere Gewalt" wie ein psychologischer Versuch. Basierend auf einer
bestimmten Hypothese darf der Zuschauer gespannt den Ausgang des
sozialen Experiments beobachten. Bekommt Tomas eine zweite Chance ? Am
Ende hat der Filmemacher seinen Zuschauern einige komplexe Dynamiken
geliefert, die man gar nicht immer so eindeutig analysieren kann. Mit
der sonderbaren Rückreise des Skibusses über den Gebirgspass schließt
der schwedische Film, der 2014 als bester Film und als beste Regie für
den europäischen Filmpreis nominiert wurde.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen