Regie. Dominic Graf
Die Vision von einem Sommermärchen...
In der Kinofassung dauert Dominik Grafs subtiler Historienfilm "Die
geliebten Schwestern" 134 Minuten, der Directors Cut dauert aber mehr
als eine halbe Stunde länger und kommt auf eine Laufzeit von beinahe 170
Minuten.
Graf wählte dabei eine Mischung aus Essay und
Fiktion, letzeres klärt er aber erst am Ende des Films auf. Die
Off-Stimme berichtet, dass Caroline in ihrer Biografie intime Details
ihres Lebens verschwiegen hat. Vor ihrem Tod hätte sie den ganzen
Briefverkehr mit Schiller verbrannt, lediglich ein Brief von Schiller
blieb erhalten. Dieser deutete die intime Beziehung zu Caroline, seiner
Schwägerin, an. So kam Graf auf das Bild der beiden verliebten
Schwestern und entwarf diese schöne wie tragische Dreierbeziehung. "Die
geliebten Schwestern" ist daher auch - aber nicht nur - gewagte
Spekulation. Der Regisseur verstand es in diese Menage-a-trois, die an
einem schönen Sommertag begann, Zeit und Ort historisch präzise dazu zu
skizzieren.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1788 in Weimar.
Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius) verlässt auf Geheiß ihrer
Mutter Louise von Lengefeld (Claudia Messner) Rudolfstadt und soll von
ihrer Patentante Charlotte von Stein (Maja Maranow) in die feine
Gesellschaft eingeführt werden
Ihre Schwester, die
schöne, freigeistige Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung) ist in
einer lieblosen Vernunftehe mit Friedrich Freiherr von Beulewitz
(Andreas Pietschmann) gefangen und träumt von der großen Liebe.
Charlotte hingegen ist unverheiratet und wünscht sich sehnlichst einen
Gatten. Eines Tages schaut sie bei ihrer Tante aus dem Fenster, der
Zufall will es, dass genau zu diesem Zeitpunkt unten auf der Straße der
bereits bekannte, aber arme Dichter Friedrich Schiller (Florian Stetter)
vorbeiläuft und sich irgendwie in der Stadt verirrt zu haben scheint.
Aus Schüchterheit bleibt es aber vorerst bei dieser einen Begegnung. Sie
erzählt aber ihrer Schwester davon, die ein heimlich ein zweites
Treffen engagiert. Für Charlotte überraschend taucht der junge Schiller
an einem schönen Sommertag auf dem Wohnsitz der Mädels auf. Man versteht
sich sofort zu dritt extrem prächtig und aus dem Treffen erwächst
Liebe. Sowohl Charlotte als auch Caroline verlieben sich in den Dichter,
den die Mutter mit Argwohn betrachtet. Und auch Schiller selbst fühlt
sich zu beiden Schwestern extrem hingezogen....
Einen Sommer
lang am Vorabend der französischen Revolution lebt der Dichter, damals
29 Jahre alt, mit den beiden Lengefeld Schwestern, eine Utopie einer
freien, romatischen Liebe aus. Total genial ist der Einfall des Machers
den Briefwechsel der Verliebten als zentrales Element im Film zu
platzieren. Es wirkt so als bringe Graf den damals im Mode gewesenen
Briefroman in ein filmischen Kleid. Die Geschichte wird über diese
Briefe dynamisch entwickelt. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings
Grafs Stimme selbst, der sich entschieden hat als Erzähler aus dem Off
die Geschichte zu begleiten. Ich finde eine kräftigere Stimme hätte dem
Film gut getan. Graf spricht sehr leise und auf der DVD hört sich das
gewöhnsbedürftig an. Am Anfang hatte ich das Gefühl den Audiokommentar
zu hören. Überhaupt ist der eher schwache Ton das Manko der DVD. Hier
wären vielleicht Untertitel als Unterstützung hilfreich gewesen.
Ansonsten ist das aber dennoch Jammern auf hohem Niveau. Der Film selbst
wirkt manchmal etwas spröde, aber ich finde diese Machart auch sehr
reizvoll. Wer geduldig ist, dem offenbart sich eine wundervolle Chronik
über das Zeitalter der Aufklärung. Hier war es Sitte, dass sich der Adel
französisch unterhielt, damit die unteren Klassen die Konversation
nicht verstehen konnte. Verarmter Adel trifft auf die Neuerung der Zeit.
so breitet sich der Buchdruck immer mehr aus. Auch die französische
Revolution wird thematisiert. Wilhelm von Wolzogen (Ronald Zehrfeld)
kommt aus der französischen Hauptstadt zurück und berichtet über die
Greueltaten des Mobs auf den Straßen. Einmal trifft sich sogar Schiller
mit Goethe, die Menschen schauen dabei aus ihren Fenstern und betrachten
die Zusammenkunft der beiden Dichter vor einer schönen Kulisse an einem
Flußufer. Der Film schildert die Dreierbeziehung, die am Anfang total
gut funktioniert, aber später massive Probleme aufwirft. Was 1788
beginnt, endet mit dem Tod von Schiller im Jahr 1805.
Der Film
erhielt 2 Bundesfilmpreise und wurde ins Oscar-Rennen als bester
fremdsprachiger Film geschickt. Er schaffte es allerdings nicht unter
die besten Fünf, die nominiert wurden, zu kommen. Dennoch waren die
Kritiken sehr gut - das lag sicherlich auch daran, dass der Film nicht
allzu sehr auf den üblichen Pomp setzt, sondern seine Geschichte von
langer Hand aufbaut und den holprigen Übergang Westeuropas vom 18ten ins
19te Jahrhundert einfliessen lässt. Ein schöner anspruchsvoller Film, der gegen den gängigen Kinostrom schwimmt.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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