Donnerstag, 24. Dezember 2015

Die geliebten Schwestern


























Regie. Dominic Graf

Die Vision von einem Sommermärchen...

In der Kinofassung dauert Dominik Grafs subtiler Historienfilm "Die geliebten Schwestern" 134 Minuten, der Directors Cut dauert aber mehr als eine halbe Stunde länger und kommt auf eine Laufzeit von beinahe 170 Minuten.
Graf wählte dabei eine Mischung aus Essay und Fiktion, letzeres klärt er aber erst am Ende des Films auf. Die Off-Stimme berichtet, dass Caroline in ihrer Biografie intime Details ihres Lebens verschwiegen hat. Vor ihrem Tod hätte sie den ganzen Briefverkehr mit Schiller verbrannt, lediglich ein Brief von Schiller blieb erhalten. Dieser deutete die intime Beziehung zu Caroline, seiner Schwägerin, an. So kam Graf auf das Bild der beiden verliebten Schwestern und entwarf diese schöne wie tragische Dreierbeziehung. "Die geliebten Schwestern" ist daher auch - aber nicht nur -  gewagte Spekulation.  Der Regisseur verstand es in diese Menage-a-trois, die an einem schönen Sommertag begann, Zeit und Ort historisch präzise dazu zu skizzieren.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1788 in Weimar. Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius) verlässt auf Geheiß ihrer Mutter Louise von Lengefeld (Claudia Messner) Rudolfstadt und  soll von ihrer Patentante Charlotte von Stein (Maja Maranow)  in die feine Gesellschaft eingeführt werden
Ihre Schwester, die schöne, freigeistige Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung) ist in einer lieblosen Vernunftehe mit Friedrich Freiherr von Beulewitz (Andreas Pietschmann) gefangen und träumt von der großen Liebe.  Charlotte hingegen ist  unverheiratet und wünscht sich sehnlichst einen Gatten. Eines Tages schaut sie bei ihrer Tante aus dem Fenster, der Zufall will es, dass genau zu diesem Zeitpunkt unten auf der Straße der bereits bekannte, aber arme Dichter Friedrich Schiller (Florian Stetter) vorbeiläuft und sich irgendwie in der Stadt verirrt zu haben scheint. Aus Schüchterheit bleibt es aber vorerst bei dieser einen Begegnung. Sie erzählt aber ihrer Schwester davon, die ein heimlich ein zweites Treffen engagiert. Für Charlotte überraschend taucht der junge Schiller an einem schönen Sommertag auf dem Wohnsitz der Mädels auf. Man versteht sich sofort zu dritt extrem prächtig und aus dem Treffen erwächst Liebe. Sowohl Charlotte als auch Caroline verlieben sich in den Dichter, den die Mutter mit Argwohn betrachtet. Und auch Schiller selbst fühlt sich zu beiden Schwestern extrem hingezogen....


 Einen Sommer lang am Vorabend der französischen Revolution lebt der Dichter, damals 29 Jahre alt, mit den beiden Lengefeld Schwestern, eine Utopie einer freien, romatischen Liebe aus. Total genial ist der Einfall des Machers den Briefwechsel der Verliebten als zentrales Element im Film zu platzieren. Es wirkt so als bringe Graf den damals im Mode gewesenen Briefroman in ein filmischen Kleid. Die Geschichte wird über diese Briefe dynamisch entwickelt. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings Grafs Stimme selbst, der sich entschieden hat als Erzähler aus dem Off die Geschichte zu begleiten. Ich finde eine kräftigere Stimme hätte dem Film gut getan. Graf spricht sehr leise und auf der DVD hört sich das gewöhnsbedürftig an. Am Anfang hatte ich das Gefühl den Audiokommentar zu hören. Überhaupt ist der eher schwache Ton das Manko der DVD. Hier wären vielleicht Untertitel als Unterstützung hilfreich gewesen. Ansonsten ist das aber dennoch Jammern auf hohem Niveau. Der Film selbst wirkt manchmal etwas spröde, aber ich finde diese Machart auch sehr reizvoll. Wer geduldig ist, dem offenbart sich eine wundervolle Chronik über das Zeitalter der Aufklärung. Hier war es Sitte, dass sich der Adel französisch unterhielt, damit die unteren Klassen die Konversation nicht verstehen konnte. Verarmter Adel trifft auf die Neuerung der Zeit. so breitet sich der Buchdruck immer mehr aus. Auch die französische Revolution wird thematisiert. Wilhelm von Wolzogen (Ronald Zehrfeld) kommt aus der französischen Hauptstadt zurück und berichtet über die Greueltaten des Mobs auf den Straßen. Einmal trifft sich sogar Schiller mit Goethe, die Menschen schauen dabei aus ihren Fenstern und betrachten die Zusammenkunft der beiden Dichter vor einer schönen Kulisse an einem Flußufer. Der Film schildert die Dreierbeziehung, die am Anfang total gut funktioniert, aber später massive Probleme aufwirft. Was 1788 beginnt, endet mit dem Tod von Schiller im Jahr 1805.
Der Film erhielt 2 Bundesfilmpreise und wurde ins Oscar-Rennen als bester fremdsprachiger Film geschickt. Er schaffte es allerdings nicht unter die besten Fünf, die nominiert wurden, zu kommen. Dennoch waren die Kritiken sehr gut - das lag sicherlich auch daran, dass der Film nicht allzu sehr auf den üblichen Pomp setzt, sondern seine Geschichte von langer Hand aufbaut und den holprigen Übergang Westeuropas vom 18ten ins 19te Jahrhundert einfliessen lässt. Ein schöner anspruchsvoller Film, der gegen den gängigen Kinostrom schwimmt.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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