Freitag, 25. November 2016

Junges Licht

























Regie: Adolf Winkelmann

Eine Kindheit im Kohlenpott

Der neue Film von Adolf Winkelmann heißt "Junges Licht" und ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ralf Rothmann, aber auch eine weitere Sicht auf das Ruhrgebiet und seine Menschen durch den Regisseur Winkelmann, der damit seine "Ruhrgebietstrilogie", bestehend aus "Die Abfahrer" (1978), "Jede Menge Kohle" (1981) und "Nordkurve" (1993) zu einem Quartett vergrößern kann. Aus meiner Sicht ist ihm mit "Junges Licht" einer der besten deutschen Filme dieses Jahres gelungen. "Junges Licht" kann man als modernen Heimatfilm einordnen, gleichzeitig handelt es sich um einen sehr spröden, aber durchaus schönen Jugendfilm, um mal den eigentlich bescheuerten Begriff "Coming of Age" weglassen zu können.
Einige Kritiken haben zwar bemängelt, dass da in der Geschichte, die in den 60ern spielt, viele provokante Themen zu finden sind: Sex mit Minderjährigen, Pädophilie, häusliche Gewalt, Scheinheiligkeit, Spießbügertum und alles irgendwie nie so richtig angegangen wird. Auch ein Hund verschwindet, ohne das der Zuschauer aufgeklärt wird, warum und das Ende suggeriert trotz all dieser Problemfelder in der sich die Familie Collien befindet, eine Zukunft, die genauso weitergeht wie bisher. Nichts wird verbessert, weil kein Konflikt gelöst und der kleine Julian, toll gespielt von Oscar Brose, geht gemeinsam mit seinem Vater auf dem Fahrrad nach Hause.
Tja, das waren andere Zeiten. Da durfte man auch noch beschwipst mit dem Auto durch die Gegend fahren und nicht umsonst gabs viel mehr Verkehrstote wie heute. Es gab da noch keine Emanzipation und Pädophilie war doch ein ganz fernes Thema - aber doch nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft zu finden. Somit empfinde ich, daß Adolf Winkelmann mit "Junges Licht" eine zutiefst authentische und tiefe Geschichte erzählt. Getragen wird die Geschichte durch großartige Darstellerleistung, neben dem jungen Oscar Brose begeistert vor allem Charly Hübner als Vater Collien und auch Peter Lohmeyer als Nachbar und Vermieter Gorny.
Die Colliens wohnen in einem der vielen Häuser im Bergarbeitermilieu in Dortmund, die vom Kohlestaub verdreckt sind. Die Familie lebt in Miete im ersten Stock, der Vermieter Konrad Gorny (Peter Lohmeyer) lebt im Erdgeschoss mit seiner Frau Edeltraud (Nina Petri). Deren 15jährige Tochter Marusha (Grethe Sophie Schmidt) hat ein Zimmer im ersten Stock. Das frühreife Mädchen muss nur das Fenster öffnen, schon ist sie auch auf dem Balkon der Colliens und der 12jährige Julian (Oscar Brose) interessiert sich auch schon für Mädchen. Der Vater Walter (Charly Hübner) ist ein einfacher Mann, der wenig Worte macht. Zu seinem Sohn hat er ein ganz gutes Verhältnis, die überforderte Mutter Liesel (Lina Beckmann) lässt ihren Frust aber oft an Julian aus, er wird von ihr geschlagen und gedemütigt. Man merkt, dass sie ihre kleinere Tochter Sophie (Magdalena Matz) bevorzugt. Das Eheleben ist aber probematisch, die Frau hat psychische Probleme. Mit dieser Krankheit ist auch der Mann überfordert, er schlägt seine Frau. Von Herrn Gorny bekommt der Julian einen Fotoapparat ausgeliehen, er soll Bilder von seinen Schulkameraden machen. Zweifelsohne hat Herr Gorny ein Faible für kleine Jungs. Als die Mutter nach einem Nervenzusammenbruch mit Sophie verreist, ist Julian mit Papa allein. Er rettet den Hund der Frau Morian (Caroline Peters), die wohl früher mal in einem Nachtclub gesungen haben soll und versteckt ihn im Schuppen von Herr Gorny...



Die Geschichte, die Winkelman erzählt, wirkt episodenhaft und die Handlung zeigt viel Alltag. Man merkt, dass Julian wissbegierig ist, aber von seinem einfach gestrickten Umfeld wenig Antworten erwarten kann. Daher dürfte sein zukünftiger Weg vorgezeichnet sein. Der Regisseur vertraut oft auf die Macht des Bildes (Kameramann: David Slama), seine Figuren sprechen wenig und wenn dann viel alltägliches. Die Härte ihres Berufs hat die Menschen gekennzeichnet. In seinen besten Moment vermittelt der Film sehr viel poetischen Realismus.
Etwas irritierend vielleicht der häufige Formats- und Farbwechsel. Aus einem 4:3 Bildformat wird im Nu ein Cinemascope Bild. Auch schwarz-weiß und Farbe gibts im Wechsel. Einen dramaturgisch relevanten Grund sehe ich nicht, am Anfang hat mich das ein bisschen irritiert - aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und inszenatrisch ist der Film so gut, dass man diese Experimente schnell verzeiht, denn sowohl schwarz-weiß als auch farbig - der Film bleibt gut, so oder so.
Etwas gewöhnungsbedürftig auch der Soundtrack von Tommy Finke, der für mich nicht so ganz passend für die frühen 60er Jahre ist. Da habe ich vielleicht Musik aus dieser Zeit als Untermalung erwartet, was ja die meisten Filmemacher auch bei einer filmischen Zeitreise in eine andere Dekade tun. Meines Erachtens gelingt es mit zeitgenössischen Songs viel spielender in der Zeit der Handlung anzukommen. Dennoch bleibt  Winkelmanns Nostalgiefilm "Junges Licht" packend bis zum Ende.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

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