Regie: Abdellatif Kechiche
Die Geschichte von Adele und Emma...
Der französische Regisseur Abdellatif Kechiche hat mit "Blau ist
eine warme Farbe" seinen international bisher erfolgreichsten Film
gemacht, im Frankreich selbst bekam er schon zweimal den Cesar als
bester Regisseur zugesprochen - 2005 für "L`Esquive" und 2008 für
"Couscous mit Fisch". Seine Filme fallen durch eine recht hohe Laufzeit
aus, die Liebesgeschichte zweier Frauen wird hier in 179 Minuten
erzählt. Dabei ist es vor allem den beiden Hauptdarstellerinnen Lea
Seydoux und Adele Exarchopoulos zu verdanken, dass der Film emotional so
gut funktionierte. Die Gesichter der Darstellerinnen werden dabei aus
nächster Nähe gefilmt und sie werden dabei zu echten
Gefühlslandschaften. Blicke, Stimmen, Lachen und Gesten - der
Filmemacher ist ganz nah dabei, wenn er den Beginn der Liebe zeigt bis
hin zur Amour Fou, denn er begleitet Emma (Lea Seydoux) und Adele (Adele
Exarchopoulos) vom ersten Blick bis zum Zusammenleben, vom Alltag, von
der Trennung bis hin zum Wiedersehen nach Jahren. Dabei spielt es eher
eine sekundäre Rolle, dass das Liebespaar zwei Frauen sind. Die
16jährige Adele ist eine beliebte Schülerin, die in ihrer Heimatstadt
Lillie viel mit Freunden und Mitschülern unternimmt. Ihre pubertäre
Unsicherheit ist kaum bemerkbar. Ihre Mitschülerinnen machen das hübsche
Mädchen darauf aufmerksam, dass der ein Jahr ältere Mitschüler Thomas
(Jeremie Laheurte) sich für sie interessiert. Doch die junge Liebe
dauert nicht lange an, es fehlt vor allem auch beim Sex das gewisse
Etwas. Als sie auf der Straße Emma zum ersten Mal sieht, die ihre Haare
blaugefärbt hat, ist sie spontan interessiert und auch irritiert. Als
sie gemeinsam mit ihrem Mitschüler Valentin (Sandor Funtek) eine
Gay-Disco besucht, treffen sich die beiden Frauen wieder. Adeles
Gedanken kreisen nunmehr extrem um die aufregende Unbekannte, die sie
einen Tag später von der Schule abholt. Den Mitschülerinnen bleibt nicht
verborgen, dass Emma sehr maskulin wirkt und sicherlich lesbisch sein
muss. Trotzdem beginnen die beiden Frauen ein prickelndes Verhältnis,
dass auch zur längerfristigen Beziehung wird. Im Alltag zeigen sich die
verschiedenen Verhältnisse, aus denen die Frauen kommen. Die aus
einfachen Verhältnissen stammende Adele hat andere Bedürfnisse wie die
ältere Freundin mit Diplom der Kunsthochschule. Am Ende steht die
Trennung...
...trotzdem treffen sich die Frauen nach
einigen Jahren wieder. Immer noch ist die Leidenschaft präsent, die Emma
unterdrücken kann, da sie eine tragfähige Beziehung mit einer anderen
Frau lebt. Adele dagegen ist immer noch ein etwas hin- und hergerissener
Charakter, der nicht so ganz genau weiß wohin sie ihr Boot steuern
soll. Zahllose Großaufnahmen rücken die beiden Figuren in den
Mittelpunkt und der Zuschauer lernt die Gesichter sehr gut kennen. Vor
allem Adele, die immer wieder etwas verlegen an ihren Haaren zupft und
öfters mal mit einem unordentlichen Knoten auf ihrem Kopf als Frisur
herumläuft. Die Art wie sie Spaghetti isst - sie ist eine sinnliche
junge Frau. In diesen Moment erreicht der Film eine starke Intimität,
die die Geschichte berührend machen. Die Sexszenen - insgesamt 7 Minuten
- sind für mich eher zweitrangig. Sie sorgten aber für die nötige
Publicity, die den Film zu einem Riesenerfolg machten.
Interessanterweise scheint ein homosexuelles Liebespaar weitaus größeres
Interesse hervorzurufen. Ich denke da auch an den Hype, der vor einigen
Jahren mit "Brokeback Mountain" ausgelöst wurde. Da gings um eine
heimliche Liebe, die versteckt wurde und nur im Geheimen ausgelebt
werden konnte - und daher auch als Beziehung scheitern musste. Hier in
"Blau ist eine warme Farbe" wird zwar auch auf die ungewöhnliche
Liebschaft hingewiesen, aber es gelingt den beiden Frauen ihre Liebe in
ein gemeinsames Leben mitzunehmen. Die Chance nach dem Glück ist also
eher gegeben - dennoch lässt sich der große emotionale Moment der Liebe
nicht dauerhaft im Alltag integrieren. Kechiche zeigt die Liebe als ein
Gefühl des Augenblicks, der leider auch wieder vergehen wird. Er zeigt
aber auch die Erfüllung in diesen raren Momenten.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.
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