Regie: Paolo Sorrentino
Vergängliches Leben, Ewige Stadt...
Lob und Tadel liegen hier dicht
beieinander. Für die einen ist "La Grande Belezza" eine dreiste Fellini
Kopie, die durch die tollen Bilder die Inhaltslosigkeit verdeckt, für
andere ist der Film von Paolo Sorrentino eine wunderbare Hommage auf den
Fellini Kosmos, darüberhinaus eine magischer Städtefilm und eine kluge
Reflektion über die Vergänglichkeit. Tatsächlich sind die Verweise auf
Fellinis Werk stark dominierend. Sorrentinos Hauptfigur Jep Gambardella
(Toni Servillo) ist die ältere Ausgabe von Marcello Mastroiannis
Boulevardfotograf mit Schriftstellerambtionen aus dem Klassiker "La
Dolce Vita" Beide bewegen sich als Akteur und Beobachter durch ein
sommerliches Rom. In "La Grande Belezza" ist man als Zuschauer von
Anfang an mit dabei und sieht dem dekatenten Treiben in der Stadt zu.
Optisch und inhaltlich präsentiert Fellini Fan Sorrentino eine moderne
Variante von "Satyricon" und macht schnell durch die Verweise der
Vergangenheit klar, dass sich der Mensch kein bisschen geändert hat. Es
wiederholt sich heute alles, was einmal war vor 50 Jahren oder in der
Antike. Rom ist heiß, unbeteiligt, mondän, schön und dekadent.
Mittendrin der Partylöwe Jep, der seinen 65. Geburtstag feiert und
versucht ein Resümee seines Lebens zu ziehen, was ihm gar nicht so
einfach fällt, denn die Eindrücke der Stadt überstrahlen alles und so
hat er wenig Zeit sich selbst wirklich zu reflektieren, er ist aber
immerhin ein begnadeter Zyniker und hat vor Jahren den einzigen
schriftstellerischen Erfolg gehabt. Dieser finanzielle Erfolg half ihm
später das Leben wie eine Party ausschweifend zu feiern. Jep, der
meistens eine Zigarette im Mund hat, sucht auch im Hier und Jetzt die
Orte seines gelangweilten Luxuslebens auf. Hier schimmert gelegentlich
der Hauch von Verfall durch - eine Komponente, die Fellini in "Das süße
Leben" noch nicht hatte, da er junge Menschen in dieser Metropole zeigte
- mit all ihren Hoffnungen. Es ist die Bitterkeit des Alters, die
mitschwingt. In der Anfangsszene sieht man japanische Touristen, die
begeistert sind von den Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt und Rom tut
alles erdenklich atmosphärische für seine Besucher - ein Frauenchor
singt oben im Säulengang über dem Brunnen und sorgt mit den Bildern für
einen der zahlreichen magischen Momente des Films. Dann fällt einer der
Touristen im Anblick größter Begeisterung einfach tot um - so schnell
scheint alles ohne Sinn.
Unser gealteter Lebemann scheint sich auch die
Sinnfrage zu stellen, ohne wirklich weiter zu kommen. Stattdessen
streift er durch die grandiose Stadt und lässt sich treiben. Seine
Wohnung ist direkt am Colosseum gelegen. Dort trifft er sich mit seinen
Freunden und philosophiert oder tratscht. Von seiner Dachterasse aus,
sieht man auf die antike Arena, auf die fast menschenleere Stadt und auf
einen idyllischen Klostergarten. Rom wirkt interessanterweise im Film
extrem leer, die Menschen sind kaum sichtbar vor lauter
Sehenswürdigkeiten. Und solche Momente finden sich oft im Film, die
Stadt wirkt dann wie eine Art Sarkophag - trotz der wilden Partys, die
abgehen und trotz der römischen Nächte mit ihren Gesichtern, die alle
aus Fellini Filmen entsprungen sein könnten. Natürlich gibt es in Rom
auch Giraffen und Flamingos, irrwitzige Geistheilungen, trendige
Beerdigungen und auch die Religion ist allgegenwärtig. Ein Kardinal, der
Kochrezepte zum Besten gibt und eine 104jährige Missionarin, die einer
Mumie gleicht...Sorrentinos Film wurde genauso oft zerrissen, wie er als
Meisterwerk in den Himmel gelobt wurde. Ich glaube man muss sich selbst
ein Urteil bilden. Die Kamerarbeit von Luca Bigazzi ist jedenfalls
Weltklasse und der Film wirkt durch die Bilderflut in vielen Sequenzen
hypnotisch und magisch. Die große Schönheit und die große Leere sind
hier dicht beieinander, wie es dem Macher wohl vorschwebte. Hauptfigur
Jep versucht hier ein Resümee zu ziehen und seinem Leben eine neue
Richtung zu geben, doch es darf bezweifelt werden, dass ihm das auch nur
in Ansätzen gelingt. Er sucht die Antworten dann auch nicht in der
Zukunft, sondern blickt zurück in seine Jugendtage und eiine
Schlüsselszene am Meer kommt ihm immer wieder in den Sinn. Ich
persönlich fand den Film schon sehr gut gemacht, auch wenn er mit seiner
Laufzeit von fast 2 1/2 Stunden besonders im letzten Teil Gefahr läuft,
dass die Bilderflut so hoch war, dass man von einer gewissen
Reizüberflutung sprechen könnte. Aber keine Frage: Sorrentnos Film ist
jetzt schon ein Klassiker und konnte zahlreiche Preise gewinnen,
darunter den Oscar als bester ausländischer Film und vier Auszeichnungen
beim begehrten Europäischen Filmpreis. Auch die Filmmusik ist edel
ausgewählt und ist Teil der Dramaturgie.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen