Donnerstag, 17. Juli 2014

Jagdszenen aus Niederbayern

























Regie: Peter Fleischmann

Niederbayern ist überall...

"Jagdszenen aus Niederbayern" ist ein deutscher Kinofilm in Schwarz-weiß aus dem Jahr 1969 und eine heftige und schockierende Variante des Heimatfilms. Inszeniert wurde der damalige Skandalfilm von Peter Fleischmann, er basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück des Hauptdarstellers Martin Sperr, der den schulen Mechaniker Abram spielt. Die Geschichte befasst sich aber nicht mit der persönlichen Tragödie eines Homosexuellen in den 60er Jahren, der damals noch kriminalisiert war, sondern die zentrale Figur des Films ist das Dorf selbst, in das Abram nach einem Gefängnisaufenthalt zurückkehrt. Die Dorfbewohner wissen nicht so genau warum der junge Mann im Knast war, aber es machen sich Gerüchte breit, dass der Abram ein "warmer Bruder" wäre. Der Aussenseiter versetzt das Dorf irgendwie in Unruhe. Doch Abram ist nicht der einzige Aussenseiter in der Dorfgemeinschaft. Die Witwe Maria (Gunja Seiser), deren Mann kürzlich starb, hat jetzt in der Trauerzeit ein Verhältnis mit dem Knecht (Ernst Wagner). Dazu hat sie noch den geistig zurückgebliebenen Sohn Ernstl (Johann Lang), der nicht in die Gemeinschaft passt. Auch die Dorfhure Hannelore (Angela Winkler) wird nur geduldet. Als im Laufe der Handlung Hannelore, die in Abram verknallt ist, behauptet sie bekäme von ihm ein Kind und der Aussenseiter auch noch mit Ernstl "erwischt" wird, konzentriert sich der ganze Dorfhass auf den, der anders als die anderen ist. "Jagdszenen aus Niederbayern" ist einer der ersten Filme aus Deutschland, die sich offen gegen die Diskriminierung von Schwulen wendet. Dabei ist aber die Homosexualität eher zweitrangig - Mittelpunkt des Films ist die pogromartige Stimmung, die sich im Dorf langsam aber sicher aufbaut. Vorerst ist nur eine unterschwellige Aggression im Dorf bemerkbar. Diese latente Gewalt ist sichtbar in der Nähe der Menschen zueinander. Eine gesunde Distanz scheint nicht möglich und wird ständig verletzt. Aus dieser Konstellation des nahen Miteinanders ergibt sich ein Bild von Jägern und Gejagten, dass sich am Ende in einer Art Hatz gegen Abram äussert. Der junge Mann versteckt sich im Wald. Polizei und Dorfbevölkerung sind engagiert dabei in der Ergreifung des Schuldigen. Die Mutter Barbara (Else Quecke), ebenfalls eine Zugezogene, die in der Dorfgemeinschaft eingebettet sein will, gibt einmal den Satz "Ich hab ihn halb tot geschlagen, ich schwörs, was kann ich dafür, dass eine Drecksau draus geworden ist" zum besten. 


Fleischmann präsentiert die Brutstätte des Bösen im ländlichen Idyll - dort kristallisiert sich eine grausame, kollektive Bestie heraus. Eklig fand ich aber die Szene, in der das Schwein geschlachtet wird und da frage ich mich wirklich, ob es sein muss, dass man aus dramaturgischen Gründen ein Tier für den Film opfern muss. Dieser Schlacht-Szene beginnt mit einem Schuß, der das Tier tötet und dann zeigt Fleischmann explizit wie das Tier geschchlachtet und verarbeitet wird. Während dieses Vorgangs wird dann die arme Hannelore von drei Männern bedrängt, die ihr das Schweinehirn in den Mund stopfen und ihr gewaltsam den Slip ausziehen. Allerdings verfehtl diese schreckliche Sequenz ihre Wirkung nicht. Was Fleischmann gut gelungen ist die Tatsache, dass er das Dorf nicht in Gute und Böse zerfallen lässt. Es wirkt als würden die Dorfbewohner durch eigenen Ängste motiviert sein, denn jeder könnte nur zu leicht durch eine einzige Verfehlung vom Kollektiv in die untere Reihe der Hackordung landen. Insgesamt ein grausames Szenario, dass Fleischman hier zeigt und mit dem mulmigen Gefühl hinterlässt er den Zuschauer, dass "Niederbayern" womöglich überall sein könnte. Und aktuell ist der Film sicherlich noch immer - denn Herden, die zur Meute werden, gibt es weiterhin.

Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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