Regie: Peter Fleischmann
Niederbayern ist überall...
"Jagdszenen aus Niederbayern" ist ein deutscher Kinofilm in
Schwarz-weiß aus dem Jahr 1969 und eine heftige und schockierende
Variante des Heimatfilms. Inszeniert wurde der damalige Skandalfilm von
Peter Fleischmann, er basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück des
Hauptdarstellers Martin Sperr, der den schulen Mechaniker Abram spielt.
Die Geschichte befasst sich aber nicht mit der persönlichen Tragödie
eines Homosexuellen in den 60er Jahren, der damals noch kriminalisiert
war, sondern die zentrale Figur des Films ist das Dorf selbst, in das
Abram nach einem Gefängnisaufenthalt zurückkehrt. Die Dorfbewohner
wissen nicht so genau warum der junge Mann im Knast war, aber es machen
sich Gerüchte breit, dass der Abram ein "warmer Bruder" wäre. Der
Aussenseiter versetzt das Dorf irgendwie in Unruhe. Doch Abram ist nicht
der einzige Aussenseiter in der Dorfgemeinschaft. Die Witwe Maria
(Gunja Seiser), deren Mann kürzlich starb, hat jetzt in der Trauerzeit
ein Verhältnis mit dem Knecht (Ernst Wagner). Dazu hat sie noch den
geistig zurückgebliebenen Sohn Ernstl (Johann Lang), der nicht in die
Gemeinschaft passt. Auch die Dorfhure Hannelore (Angela Winkler) wird
nur geduldet. Als im Laufe der Handlung Hannelore, die in Abram
verknallt ist, behauptet sie bekäme von ihm ein Kind und der
Aussenseiter auch noch mit Ernstl "erwischt" wird, konzentriert sich der
ganze Dorfhass auf den, der anders als die anderen ist. "Jagdszenen aus
Niederbayern" ist einer der ersten Filme aus Deutschland, die sich
offen gegen die Diskriminierung von Schwulen wendet. Dabei ist aber die
Homosexualität eher zweitrangig - Mittelpunkt des Films ist die
pogromartige Stimmung, die sich im Dorf langsam aber sicher aufbaut.
Vorerst ist nur eine unterschwellige Aggression im Dorf bemerkbar. Diese
latente Gewalt ist sichtbar in der Nähe der Menschen zueinander. Eine
gesunde Distanz scheint nicht möglich und wird ständig verletzt. Aus
dieser Konstellation des nahen Miteinanders ergibt sich ein Bild von
Jägern und Gejagten, dass sich am Ende in einer Art Hatz gegen Abram
äussert. Der junge Mann versteckt sich im Wald. Polizei und
Dorfbevölkerung sind engagiert dabei in der Ergreifung des Schuldigen.
Die Mutter Barbara (Else Quecke), ebenfalls eine Zugezogene, die in der
Dorfgemeinschaft eingebettet sein will, gibt einmal den Satz "Ich hab
ihn halb tot geschlagen, ich schwörs, was kann ich dafür, dass eine
Drecksau draus geworden ist" zum besten.
Fleischmann präsentiert die
Brutstätte des Bösen im ländlichen Idyll - dort kristallisiert sich eine
grausame, kollektive Bestie heraus. Eklig fand ich aber die Szene, in
der das Schwein geschlachtet wird und da frage ich mich wirklich, ob es
sein muss, dass man aus dramaturgischen Gründen ein Tier für den Film
opfern muss. Dieser Schlacht-Szene beginnt mit einem Schuß, der das Tier
tötet und dann zeigt Fleischmann explizit wie das Tier geschchlachtet
und verarbeitet wird. Während dieses Vorgangs wird dann die arme
Hannelore von drei Männern bedrängt, die ihr das Schweinehirn in den
Mund stopfen und ihr gewaltsam den Slip ausziehen. Allerdings verfehtl
diese schreckliche Sequenz ihre Wirkung nicht. Was Fleischmann gut
gelungen ist die Tatsache, dass er das Dorf nicht in Gute und Böse
zerfallen lässt. Es wirkt als würden die Dorfbewohner durch eigenen
Ängste motiviert sein, denn jeder könnte nur zu leicht durch eine
einzige Verfehlung vom Kollektiv in die untere Reihe der Hackordung
landen. Insgesamt ein grausames Szenario, dass Fleischman hier zeigt und
mit dem mulmigen Gefühl hinterlässt er den Zuschauer, dass
"Niederbayern" womöglich überall sein könnte. Und aktuell ist der Film
sicherlich noch immer - denn Herden, die zur Meute werden, gibt es
weiterhin.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.
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