Regie: Quentin Tarantino
Geniale Schundgeschichten...
Mit 154 Minuten Laufzeit ist Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" fast
schon ein Monumentalfilm, auch wenn das Thema B-Picture lastig
orientiert ist, denn es ist eine Hommage an die Trivial- und
Schundliteratur, eine Liebeserklärung an den Groschenroman, wobei in
diesen Heften meist mehrere Kurz-Geschichten zusammengefasst waren. Dies
behielt Tarantino in seinem Film aus dem Jahr 1994 bei. Alles fängt in
einem Restaurant an, dort nehmen Pumpkin (Tm Roth) und seine Braut Honey
Bunny (Amanda Plummer) das Frühstück ein, bedanken sich artig bei der
Kellnerin für den guten Service und beratschlagen, dass sie jetzt gleich
das Restaurant überfallen, weil ja keiner damit rechnet und sie
aufgrund dieses Überraschungseffekts gute Karte haben für eine gute
Kasse. Wenn sich am Ende des Films nach dem vielen Geschichten, die sich
alle im Dunstkreis des Gangsterbosses Marcellus Wallace (Ving Rhames)
ereignen, die letzte Episode öffnet, dann sind wir dank Tarantino wieder
genau am Anfang des Films angelangt, wo das Gangsterpaar die Pistolen
zückt. In der zweiten Episode erzählt der Filmemacher, der mit
"Reservoir Dogs" seinen ersten Erfolg zwei Jahre vorher erringen konnte,
von der täglichen Arbeit der beiden Auftragsmörder Vincent Vega (John
Travolta) und Jules Winnfield (Samuel L. Jackson), die ihren Lohn von
Wallace erhalten und nun einige Youngsters, die den Boss betrogen haben,
zur Rede stellen werden. Zur Rede stellen heißt in diesem Fall
"liquidieren" und vor der Exektution sagt Jules immer noch einen Spruch
aus der Bibel (Hesekiel 25,17) auf. Eine weitere Episode führt den
Zuschauer in die Kindheit des Boxers Butch Coolidge (Bruce Willis), der
vom Kriegskamerad (Christopher Walken) des Vaters ein Geschenk des
gefallenen Vaters überreicht bekommt. Es ist die wertvolle Uhr, die der
Sohn unbedingt bekommen sollte und die der Vater während des Vietnam
Einsatzes in seinem Anus versteckt hat, was ihm dann der Kamerad
gleichtat, der nun diese Uhr an den rechtmässigen Erben übergibt. Butch
selbst ist auf der Flucht vor Wallace, denn er sollte in einem gefakten
Boxkampf eigentlich in der 5. Runde k.o. geschlagen worden sein, aber
Butch spielte sein eigenen Spiel und hat sehr viel auf "Sieg" gesetzt.
Nun muss er mit seiner Geliebten Fabienne (Maria de Medeiros) flüchten.
Vince Vega erhält etwa zur gleichen Zeit von seinem Boss den Auftrag,
während dessen Abwesenheit sich ein bisschen um die verwöhnte Ehefrau
Mia (Uma Thurman) zu kümmern. Auf dem Programm steht damit "Ausgehen mit
der Frau des Chefs" und der Weg führt die beiden Lokal Jack Rabbit
Slims, das im Stil der 50er Jahre aufgemacht ist und wo Buddy Holly sie
bedieht. Dort gewinnen die beiden einen Twist Contest, aber die Nacht
ist noch nicht vorbei. Eine Überdosis Koks beendet beinahe Mias Leben.
Dann wird die Zeit etwas zurückgedreht und der Zuschauer befindet sich
wieder mit den Killern Vincent und Jules bei den Jungs, die jetzt alle
ihr Leben verlieren werden. Es passiert aber in dieser Sekunde ein
glücklicher Zufall (so Vincent) oder ein Wunder Gottes (Juels), der den
beiden Männern das Leben rettet und Jules zur Entscheidung kommen lässt
dem Killergewerbe Lebewohl zu sagen. Eine weitere Szene zeigt Butch, der
noch einmal in die Wohnung muss, weil Fabienne dort die wertvolle Uhr
liegen liess. Auf diesem Trip erfüllt sich nicht nur Vincents Schicksal,
sondern Butch wird sich gemeinsam mit Marcellus in einem Keller
wiederfinden, wo sie von einem perversen Trio abgeschlachtet werden
sollen. Bei soviel Blut kommt dann auch noch Wallaces bester Mann
Winston Wolf (Harvey Keitel zum Einsatz und natürlich das Restaurant vom
Anfang und Jules schöne Brieftasche, wo "böser schwarzer Mann"
draufsteht...
Ein ganz großes Meisterwerk der 90er Jahre
ist Quentin Tarantino mit diesem knalligen
Sex-Gewalt-Humor-'Tiefsinn-Thriller gelungen, der mit einer
Riesenportion schwarzem Humors aufwartet und groteske Situation und noch
groteskere Figuren anbietet. Mit der hervorragenden Nutzung der
Episoden sprengt der Regisseur die herkömmlichen Erzählstrukturen,
springt verwegen und brilliant zwischen verschiedenen Schauplätzen,
Zeiten und Handlungen hin- und her, um sie am Ende ganz locker und
leicht zu einer Einheit zusammenzufügen. Als Lohn konnte sich der Film
vor Auszeichnungen nicht mehr retten. Er wurde u.a. 1995 für 7 Oscars
vorgeschlagen, aber aufgrund der Dominanz von "Forrest Gump" gewann er
am Ende nur eine - der Maestro selbst wurde mit Partner Roger Avery für
das beste originaldrehbuch ausgezeichnet.
Bewertung: 10 von 10 Puntken.
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