Regie: Tony Scott
Kultfilm mit einigen Schwächen...
Tja, nur noch 6 Sterne - 1993 fand ich den Film besser, war damals aber auch jung und naiv. Aber der Reihe nach: Von Tarantino halte ich sehr viel, ich finde er hat wie kein Zweiter Filmemacher in den letzten 15 Jahren Einfluss aufs zeitgenössische Kino genommen. Inzwischen gilt der Tarantino-Style als Qualitätsprädikat. Wobei die Faustregel besagt, dass seine eigenen Regiearbeiten besser sind als die Filme, die nach seinen Drehbüchern verfilmt werden.
Ein ironischer Zyniker mit viel Humor, der ungeniert genialen Klau aus vielen Jahrzehnten Filmgeschichte betreibt, der B-Picture, Italo Western, Material Arts, Peckinpah, Trash, Gangsterfilme als Mixtur nimmt und zu einer neuen, imponierenden Einheit verarbeitet.
Teilweise auch den Erzählfluss wie in "Pulp Fiction" so raffiniert und verschachtelt gestaltet, dass erst am Ende die einzelnen Szenen den Plot offenbaren.
"True Romance" ist kein Tarantino Film, aber es ist der Teil eines Drehbuchs von Tarantino, das Geschreibsel mit 500 Seiten so lang war und keinen Produzenten fand, dass ein skrupelloses Hollywood das Buch für die Verfilmungen zweiteilte und "Natural Born Killers" und "True Romance" daraus wurden.
Vom fertigen "Natural Born Killers" hat sich Tarantino im Hinterher distanziert, zu gross schien die Diskrepanz zwischen Tarantinos galliger schwarzhumorigen Vorstellung und der sehr ernsten, ja fast schwerfälligen Umsetzung durch Oliver Stone. Anders bei "True Romance"...hier sind doch mehr typische Stilmittel vom Maestro enthalten, vor allem der knallige, moderne Inszenierungsstil mit ner Menge zynischem Humor, angesagter Retro und einer ganzen Reihe Filmzitaten und Deja vus bekannter Filmhelden und Szenen.
Die Inszenierung des Mexican Standoff (Mexikanisches Unentschiden) zwischen Polizei, Mafia, den Leibwächtern des Hollywood-Regisseurs und unserem Pärchen ist natürlich bekannt aus John Woo Filmen, der diese Szenarien wahrscheinlich auch schon raffiniert geklaut hat, vermutlich aus Peckinpah Filmen wie "Alfredo Garcia".
In diesen Szenen liegt ja eine übertriebene Überzeichnung der Situation und hier zeigen sich dann auch ganz deutlich die Schwächen von Tony Scott, der - so genial manche Einzelszenen auch von Tarantino geschrieben wurden - den Gesamtfilm viel zu konventionell, zu wenig schräg und mit viel zu wenig Augenzwinkern versieht.
Sein Clarence Worley (Christian Slater), ein eher einsamer jungen Typ, ist Sympathieträger und nicht zuletzt auch eine Identifikationsfigur für viele Kinogänger. Eine ehrliche Haut. Er liebt Elvis, Comics, Kung Fu Filme....leider solo. Aber das ändert sich dann mit Alabama (Rosanna Arquette), die er im Kino kennelernt und eine heisse Liebesnacht daraus wird. Sie gesteht ihm dann einerseits, dass sie eine von Clarence Boss gekaufte Prostituierte als Geburtstagsgeschenk war, aber andererseits sich verliebt hat. Und Clarence geht es genauso...fortan sind sie Paar.
Clarence hat aber nicht nur gute, heroische Seiten, er will sein Mädchen schützen und schreckt auch nicht davor zurück, wie damals Travis Bickle im Taxi Driver den Puff von Alabamas Zuhälter Drexl Spivey (Gary Oldman, der herrlich genial nochmals Scorseses bösen "Sport" hervorkramt) zu stürmen und eine bemerkenswerte Blutorgie zu entfesseln. Problematisch ist der Koffer, den er mitgehen lässt, denn da ist Koks in Millionenwert drin und nicht Alabamas Reizwäsche.
Hm...also ein bisschen Manipulation in eine Richtung, die ich gar nicht gehen möchte, ist da schon gegeben. Einerseits fungiert dieser Clarence schon als diese Indentifikationsfigur, was im Tarantino Kosmos fast schon ein Novum ist...nett, chaotisch, ehrlich, normal, der Junge von Nebenan...andererseits mutiert er im Laufe der Geschichte eigentlich unnötigerweise zum Killer und Drogendealer, gibt sich auch in vielen Dingen als sehr unreif und egoistisch.
Die beste Szene haben vielleicht Dennis Hopper als Clarences Papa, der sich dann mit der Mafia konfrontiert sieht und an einen Mann fürs Grobe (Christopher Walken) gerät. Hier in dieser Szene ist natürlich wieder Tarantinos Genialität für Einzelszenen sichtbar und man kriegt wieder Lust auf "The Godfather".
Das grosse Ganze, der letzte geniale Kick aber ist in "True Romance" vernachlässigt. Vermutlich liegt es an der Zerstückelung seines Originaldrehbuchs in zwei Teile.
Mich befriedigt der Showdown nicht, auch das Happy-Ending. Hätte man zwar alles machen können, aber irgendwie fehlt hier der Tarantinosche unverschämte Querschläger im Hintergrund. Ja, der Höhepunkt ist insgesamt etwas zu brav und steht den stellenweise gut dosierten zynischen Elementen im Wege. Einige Szenen hätte man ruhig weiterentwickeln können und sie am Ende noch in die Geschichte weiter einzubetten, aber viele brauchbare Entwicklungen in der Story enden einfach zu abrupt.
Bewertung: 6 von 10 Punkten.
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