Samstag, 8. Dezember 2012

Picco


























Regie: Philip Koch

Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause...

Die Jugendvollzugsanstalt Siegburg kam durch einen Vorfall, der sich dort im November 2006 ereignete, bundesweit in die Medien: In der Nacht vom 11. zum 12. November 2006 wurde dort ein 20jähriger Gefangener in seiner Zelle, die er mit drei 17- bis 20- Jährigen Mithäftlingen teilte über Stunden hinweg gedemütigt, gefoltert, vergewaltigt und am Ende ermordet. Die drei Täter zwangen das Opfer bei der eigenen Strangulierung behilflich zu sein, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Das Geschehen blieb zum Morgen unentdeckt, obwohl sich Insassen in den Nachbarzellen beim diensthabenden Personal über den Lärm beschwerten und einmal sogar die Klingel in der Zelle gedrückt wurde. Am frühen Morgen gaben dann die Täter Alarm und spielten Panik und Geschocktsein über den Erhängten in der Zelle...
Inzwischen gibt es bereits zwei Spielfilme über dieses grauenvolle Ereignis. Während Uwe Bolls seine Variante "Siegburg" (Originaltitel: Stoic) bereits 2009 in Kanada realsierte, war Philip Koch wahrscheinlich erst beim Schreiben seines Drehbuchs für "Picco".
Im Vergleich schneidet der Film von Koch in allen Belangen besser ab, als Uwe Bolls Werk, der zugepflastert ist mit Grausamkeiten und überhaupt keinen Hoffnungsschimmer oder einen Hauch von Indentifikation zulässt.
Dies gelingt Koch viel besser, denn er zeigt im Gegensatz zu Boll keine Bestien sondern vier junge Männer in der Zelle, die sehr schnell - wie üblich im Knast - ihr hierarchisches Machtsystem aufgeteilt haben. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren, es gibt Täter und Opfer.
Mit "Picco" wird der "Neue" bezeichnet, also der Neuzugang im Jugendknast - und der wird erstmal an die geltenden Knastgesetze gewöhnt, indem er fertig gemacht wird.
Der Neue heisst Kevin (Constantin von Jascheroff) und kommt in die Viererzelle zum eher sanften Tommy (Joel Basman) und den beiden alten Hasen Marc (Frederic Lau) und Andy (Martin Kiefer) - beides Jungs mit einer riesigen Latte von Aggressionsstraftaten.
Für Kevin heisst das erstmal schön gemütig den Sklaven spielen, sauber machen und kuschen.
Der Gefängnisalltag ist hart, obwohl die Psychologin Frau Schmitt (Jule Garzke) versucht in ihren Sitzungen die ständig vorhandene Gewaltbereitschaft zu bearbeiten.
Als bei Mithäftling Juli (Willi Gerk) das Gerücht auftaucht, dass dieser draussen als Stricher gearbeitet hat, ist er sofort ein willkommenes Opfer für die anderen.
Der Junge wird fertig gemacht, gedemütigt, beschimpft, gekränkt und körperlich bis zur Vergewaltigung angegangen.
Kevin hat zunehmend Ängste selbst Opfer zu werden....


Eine Erkenntnis für den unbegreiflichen Gewaltakt kann und will Philip Koch nicht liefern, dafür ist aber seine Bestandsaufnahme des Jugendstrafvollzugs eine realistische wie verstörende Studie gewalttätiger Männlichkeitsrituale, die auf engstem Raum mit einer hohen Energie an Aggression und Frust zum Gesetz wird.
Es ist auch offensichtlich, dass Koch vor allem auch der Wandel vom möglichen Opfer zum passiven Mitläufer bis hin zum Täter ein herrsches Thema des Films ist.
Lange Einstellungen, kalte Bilder, dazu immer wieder das triste Leben im Knast, selbst beim 1stündigen Hofgang dreht man meistens alleine seine Runden oder sucht Schutz in einer Gruppe, die stark ist und sich gegen den Feind behaupten kann. Und der ist im Jugendknast immer dein Gegenüber.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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